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Archäologie Die Heiligen Kreise von Libehna

Steinzeitmenschen haben vor 6000 Jahren bei Libehna ein gewaltiges Erdwerk angelegt. Es könnte ein heiliger Ort sein.

Von Thomas Schöne 22.10.2015, 23:01

Halle/Libehna (dpa) l Rund 6000 Jahre alte kreisförmige Gräben in Libehna (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) geben den Archäologen Rätsel auf. Das Erdwerk aus drei ovalen, ineinander gestaffelten Gräben ist etwa einen Meter tief und hat jeweils einen Abstand von sechs Metern. „Das Ganze war einst ein System aus Erdwällen und Gräben mit einer fast kreisrunden Innenfläche von 20 Hektar“, sagte die leitende Archäologin Susanne Friederich anlässlich der Präsentation der Grabungsstelle am Donnerstag. „Mit Sicherheit war diese landschaftlich exponierte Stelle für die jungsteinzeitlichen Menschen eine besonderer Ort.“

Keramikscherben und menschliche Knochen wurden in unmittelbarer Nähe der Gräben, in Gruben gefunden. Die Artefakte gehören zur „Schiepziger Gruppe“. Diese jungsteinzeitliche Kulturstufe aus der Zeit vor 6100 bis 5900 Jahren ist erst seit 2005 bekannt. Damals wurden in Zusammenhang mit dem Bau der Autobahn 143 in Schiepzig, einem Ortsteil von Salzmünde (Saalekreis), die ersten Funde gemacht.

Die 6000 Jahre alten Gruben bei Libehna wurden, ähnlich wie die Salzmünder Scherbenpackungsgräber, vor 5300 Jahren mit einer Unzahl von Keramikbruchstücken verfüllt. „Möglicherweise stand Libehna am Anfang einer Tradition heiliger Orte mit Totenriten“, sagte Friederich. „Mit Sicherheit werden diese Steinzeitmenschen eine uns noch nicht bekannte Religion praktiziert haben. Und diese Gräbensysteme demonstrierten Macht und Einfluss.“

Die etwa einen Meter tiefen Gräben werden seit Mai im Vorfeld des Erweiterungsbaus der Bundesstraße 6n untersucht. Bislang gibt es 19 Fundstellen. Die archäologischen Ausgrabungen dauern bis Jahresende an.

Die Archäologie in Mitteldeutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen. „Es gibt eine Vielzahl verzweigter Fachrichtungen“, sagte der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, Harald Meller. Ausgrabungen sind heute oftmals vorgeschrieben, wenn Autobahnen oder große Industriegebiete auf der grünen Wiese entstehen. Doch auch in der Bevölkerung ist das Interesse an der Altertumsforschung in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen hoch, wie Archäologen vor dem am Donnerstag begonnenen 8. Mitteldeutschen Archäologentag in Halle erklärten. Unter dem Motto „Arm & Reich – Zur Ressourcenverteilung in der prähistorischen Gesellschaft“ wollen bis Sonnabend 42 Referenten aus ganz Europa Vorträge halten.

„Wenn man sich das Thema Arm und Reich anschaut, so sind die heutigen Probleme denen der jungsteinzeitlichen Gesellschaft ähnlich“, sagte Meller. Vor 7000 Jahren gab es die ersten Kriege. Ackerbauern aus dem Balkan wanderten ein und verdrängten die hier ansässigen Jäger und Sammler. Fürsten herrschten über große Gebiete, es kam zur Anhäufung von Reichtümern und damit zu großen sozialen Unterschieden.

Das Interesse der Bevölkerung an der Archäologie sei schon lange groß. Besondere Funde, wie Gletschermann Ötzi oder die Himmelsscheibe gäben dann nochmals einen publikumswirksamen Schub.Nach Ansicht von Sachsen-Anhalts Landesarchäologe Meller ist die Archäologie in Mitteldeutschland deshalb gut aufgestellt.