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Weltniveau Zwei Kleine mit Durchblick

Zwei Unternehmen aus Sachsen-Anhalt haben mit ihrem Produkt weltweit die Anpassung von Brillen revolutioniert.

09.11.2015, 23:01

Magdeburg l Die Zusammenarbeit zwischen zwei Unternehmen kann eine hochrentable Angelegenheit sein. Mit ihren Fähigkeiten und Kompetenzen ergänzen sich die Mitarbeiter und schaffen miteinander das, was alleine schwer geworden wäre. Ökonomen nennen das den Synergie-Effekt. Die Kooperation zwischen dem Mittelständler Ollendorf Mess-Systeme aus Tangerhütte (Landkreis Stendal) und der Magdeburger Agentur UCD+ hat sich ausgezahlt. Ihr Produkt wird in aller Welt von Optikern verwendet.

„Visureal“ heißt das System aus Sachsen-Anhalt, mit dem Optiker in vielen Ländern neue Brillen ihrer Kunden anpassen. Mit einem Apple-Tablet, einer App und einem Mess-Vorsatz ermittelt das Videozentriersystem alle wichtigen Werte, die zur Fertigung einer Brille benötigt werden. „Die Videozentrierung spielt eine wichtige Rolle bei der Anpassung einer neuen Brille und für die spätere Qualität der geschliffenen Gläser“, erklärt Hans-Joachim Ollendorf. Der Inhaber der Firma Ollendorf Mess-Systeme ist Spezialist für augenoptische Messinstrumente.

Seit mehr als 25 Jahren entwickelt Ollendorf mit seinen Mitarbeitern Produkte, die Augenoptikern bei der Arbeit helfen. In Brunkau, einem Ortsteil von Tangerhütte, schlägt das Herz des Unternehmens. Dort hat Ollendorf 1987 die Firma gegründet – der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Nach der Wende vertreibt er zunächst Lagersysteme für Steuerberater, Ärzte und Optiker. Zwischendurch baut er Büromöbel, später Telefonanlagen. „Wir haben alles gemacht, was damals irgendwie lief“, sagt Ollendorf heute. Doch dem Ingenieur ist früh klar: Nur, wenn er etwas anbietet, was andere nicht können, wird sein Unternehmen am Markt überleben. Ende der neunziger Jahre bringt Ollendorf Mess-Systeme als weltweit erste Firma ein Videozentriersystem mit nur einer Kamera auf den Markt. Verkaufspreis: rund 15 000 Deutsche Mark. Für vergleichbare Produkte von Zeiss müssen Optiker damals rund das Doppelte hinlegen. Heute gehört das Unternehmen weltweit zu den vier führenden Entwicklern und Herstellern von Videozentriersystemen.

Der japanische Gläserhersteller Hoya vertreibt die Geräte aus Sachsen-Anhalt auf der ganzen Welt. Langjährig bewährt hat sich eine rund zwei Meter hohe Kamerasäule. Konkurrenten wie Zeiss, Rodenstock oder das französische Augenoptik-Unternehmen Essilor schauen mit wachsamen Auge auf die Produkte des kleinen Konkurrenten aus der Altmark.

Technisch soll das Kamera-System von Ollendorf weltweit das Nonplusultra darstellen, sagen Branchenkenner. Doch Hans-Joachim Ollendorf ruht sich auf diesen Lorbeeren nicht aus und hat sein Produkt längst weitergedacht.

Als weltweit erstes Unternehmen bringt er vor drei Jahren eine App für das Apple-Tablet und den entsprechenden Mess-Vorsatz auf den Markt. „Wir haben unser System weiterentwickelt, um weiter vor dem Markt zu sein", sagt Ollendorf. Mittlerweile ist die App in 30 Sprachen übersetzt worden.

Der 65-Jährige weiß, was er mit seiner Firma leisten kann und wo die Grenzen liegen. Für die Entwicklung des Programms und der Gestaltung einer nutzerfreundlichen Bedienoberfläche holt er sich Hilfe. Der Magdeburger Dienstleister UCD+ programmiert die App, feilt an den Funktionen. „In enger Zusammenarbeit ist ein Werkzeug entstanden, das die Arbeit des Optikers vereinfacht und ihm mehr Zeit gibt für den Kundenkontakt“, erklärt Bastian Ehl, Geschäftsführer von UCD+.

Die App ermittelt zum Beispiel, an welcher Stelle der Kunde durch das Brillenglas guckt. Die Werte schickt das Programm an einen Server im Internet, dort werden sie berechnet. Zudem hat der Kunde die Möglichkeit, ein Video mit seiner Wunsch-Fassung aufzunehmen. Vor allem bei stark fehlsichtigen Menschen ein Vorteil, erklärt Hans-Joachim Ollendorf: „Probier-Fassungen im Optiker-Geschäft haben keine Gläser in passender Stärke eingesetzt.“ Ollendorf und Ehl arbeiten derzeit an einer neuen Version der App, die auf der Branchenmesse „Opti“ im Januar in München vorgestellt werden soll.

Das Land Sachsen-Anhalt sieht in der Zusammenarbeit zwischen einem Kreativunternehmen und einem Mittelständler aus anderen Wirtschaftszweigen Potenzial. „Die Unternehmen der Kreativwirtschaft hier in Sachsen-Anhalt sind höchst innovativ und flexibel. Ihre Neugier auf Neues, der Blick über den Tellerrand und die starke Innovationsorientierung machen die Branche zum Ideentreiber“, sagt Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU). Die Kooperation zwischen UCD+ und Ollendorf Mess-Systeme ist dafür das beste Beispiel.