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Steueraffäre Gürth Nun wird ein Ermittler angezeigt

In der kommenden Woche wird sich das Schicksal von Landtagspräsident Detlef Gürth entscheiden. Er hatte Steuern hinterzogen.

Von Jens Schmidt 24.11.2015, 00:01

Magdeburg l Die Steueraffäre um Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU) hat ein juristisches und ein politisches Nachspiel. Juristisch: Gegen einen Staatsanwalt der Magdeburger Behörde – die im Fall Gürth ermittelt hat – läuft ein Ermittlungsverfahren. Verdacht: Geheimnisverrat. Politisch: Nächste Woche entscheidet die SPD, ob sie einem Antrag auf Abwahl Gürths zustimmt. Ist das der Fall, wären seine Präsidententage wohl gezählt.

Gegen Gürth war im Sommer wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt worden. Im Oktober stellten die Ermittler das Verfahren gegen Zahlung von 17 000 Euro ein. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch das zuständige Amtsgericht Magdeburg waren überzeugt, dass eine Straftat vorliegt – wegen „geringen Verschuldens“ wurde von einem Gerichtsverfahren aber abgesehen. Gürth konnte sich quasi frei kaufen. Er hat das Geld bezahlt.

Außerdem hat er Steuerschuld und Verzugszinsen beglichen. Der Magdeburger Presse-Staatsanwaltschaft Armin Gebauer hatte der Volksstimme im August bestätigt, dass es sich dabei insgesamt um etwa 130 000 Euro handele. Nun wurde Gebauer angezeigt. Grund: Verrat von Dienst- und Steuergeheimnissen. Für das Ermittlungsverfahren zuständig ist die Ermittlungsbehörde in Dessau-Roßlau. Staatsanwalt Hermann Gerhards sagte, der Verdacht werde rechtlich geprüft. Näheres wollte die Behörde nicht sagen. Auch nicht zum Anzeigenersteller. War es Gürth selber? Gerhards: „Das können wir nicht bestätigen.“

Klar ist, dass Gürth nach der Volksstimme-Nachricht Justizministerin Angela Kolb (SPD) eingeschaltet hatte. „Herr Gürth hat seinen Unmut darüber geäußert, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft Magdeburg Zahlen an die Presse gegangen sind“, hatte Kolb bestätigt. Die Ministerin schaltete wiederum den Generalstaatsanwalt ein. Es läuft derzeit auch noch ein Disziplinarverfahren gegen den Magdeburger Ermittler.

Das Vorgehen von Gürth hat Spuren hinterlassen. „Die Staatsanwaltschaften sind verunsichert“, heißt es in Justizkreisen. „Dass sich die Justizministerin auf Zuruf eingeschaltet hat, ist schon ein merkwürdiger Vorgang. Jeder normale Bürger wäre an die zuständige Stelle, also die Staatsanwaltschaft direkt, verwiesen worden.“

Ein anderer sagt: „Der Schaden in der Justizfamilie ist gigantisch.“ Die Staatsanwaltschaften würden sich jetzt ins Schneckenhaus zurückziehen. „Die haben alle einen dicken Hals.“ Der Bund der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt hatte die Intervention von Gürth bereits scharf kritisiert. „Das ist problematisch und kein guter Stil“, sagte der Landesvorsitzende Markus Niester. Immerhin halten die Magdeburger zu ihrem Kollegen: Gebauer ist bis heute Vize-Sprecher und soll es dem Vernehmen nach auch bleiben.

Gürths Präsidentenstuhl wackelt da schon heftiger. Grüne und Linke forderten seinen Rücktritt. Erwogen wird auch eine Abwahl. Laut Landesverfassung sind zwei Schritte nötig: Zunächst muss ein Antrag eingereicht werden, der von der einfachen Mehrheit der Abgeordneten unterzeichnet ist. Bei der dann geheimen Abstimmung selbst müssten zwei Drittel für die Abwahl plädieren, um den Präsidenten aus dem Amt zu heben. Da Gürth auch in den eigenen Reihen keinen großen Rückhalt mehr genießt, muss er damit rechnen, dass in der geheimen Wahl auch etliche CDU-Abgeordnete gegen ihn votieren. Einer meint: „Das wird eng.“

Viele erwarten daher, dass Gürth sich die Prozedur erspart und von selbst geht, sobald ein Abwahlantrag vorliegt. Dafür wären mindestens 53 der 105 Stimmen nötig. Grüne und Linke kommen auf 37 – und bräuchten wenigstens weitere 16 Unterstützer. Die Opposition schaut auf die SPD. Die Fraktion will zunächst Gürth anhören, ehe sie entscheidet. Das Dienstag geplante Gespräch wurde auf nächste Woche verschoben. Wegen eines Arzttermins, ließ Gürth mitteilen. Seit einer Woche ist er krank – Herzprobleme.