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Linke Von Auslächlern und Primaten

Die Landtagsfraktion der Linken blickt zurück auf 25 Jahre. Mit spannenden Geschichten und überraschendem Lob.

Von Michael Bock 03.12.2015, 00:01

Magdeburg l Der Festsaal im „Herrenkrug Parkhotel“ in Magdeburg ist in rotes Licht getaucht. Auf den festlich gedeckten Tischen stehen Kerzenleuchter. Die Linke-Landtagsfraktion feierte am Dienstagabend 25-jähriges Bestehen. Das Rahmenprogramm ist sehr gelungen. In Talkrunden kommen viele Zeitzeugen zu Wort. Ein Streifzug durch die Geschichte. Anfang der 90er-Jahre steht die PDS in der Schmuddelecke. „Niemand hat mit uns gesprochen“, erinnert sich Roland Claus. Er war von 1990 bis 1997 Landesvorsitzender der PDS. „Wir haben jeden Brief beantwortet – selbst wenn es ein Werbebrief war“, sagt er und lächelt. „Ein PDS-Jahr war wie sieben Menschenjahre.“

„Du musst mit vielen Angriffen rechnen“, wird Wolfgang Süß, PDS-Parlamentarier der ersten Stunde, gewarnt. Zugleich bekommt er den Tipp: „Antworte nicht mit Gegenangriffen.“ Der Hinweis zum Umgang mit Kritikern: „Lächele sie aus.“ Süß ist das gelungen.

Der Altmärker Hans-Jörg Krause ist schneller in Wallung zu bringen. Er schleudert PDS-Kritikern im Landtag wütend den Satz entgegen: „Ich sitze hier vor einem ganzen Haufen menschlicher Primaten.“ Krause sagt jetzt: „So steht es auch im Protokoll vom 8. November 1990.“ Er lächelt zufrieden.

1994 bis 2002 – die Zeit des „Magdeburger Modells“. Die PDS toleriert eine rot-grüne Minderheitsregierung. Bundesweit ein Tabubruch. Dietmar Bartsch, heute Chef der Bundestagsfraktion, sagt: „Da war die Hölle los.“ Damit seien die Voraussetzungen für spätere rot-rote Bündnisse auf Landesebene geschaffen worden.

Wulf Gallert, heute Linke-Spitzenkandidat, damals einer der Architekten des „Magdeburger Modells“, bekennt freimütig: „Ich hatte niemals so viel zu sagen wie damals.“ Er habe aber auch niemals so wenig Ahnung davon gehabt, „was ich eigentlich mache“.

Matthias Gabriel war von 1999 bis 2001 SPD-Wirtschaftsminister. Er musste seinerzeit auch wegen dieses Satzes den Hut nehmen: „Es kann nicht sein, dass sich Menschen damit begnügen, ihre Kissen in die Fensterbank zu legen und zuzuschauen, wie andere Autos einparken, oder dass sie im Turnhemd an der Tankstelle herumhängen.“

Er, der Rot-Rot stets kritisch betrachtete, sieht die Sache jetzt entspannter. „Inzwischen ist die Linke eine politisch legitimierte Kraft“, sagt er. „Sie hat sich im System fair behauptet.“

Auch Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) ist Gast bei der Festveranstaltung. Der 79-Jährige bekennt: „Wir konnten nicht ahnen, dass das Quasi-Bündnis so lange halten würde. Die Tolerierung ist nicht zerbrochen. Das muss man mit Respekt feststellen.“

Böhmer, der nie ein Parteisoldat war, genießt bei der Linken hohes Ansehen. Immer wieder bekommt er warmen Applaus. Auch, weil er mal öffentlich gesagt hat, dass die PDS eine gute Basisarbeit mache. Das sorgte für Unmut in der CDU. Böhmer erinnert sich: „Ich bin dafür nicht geliebt worden. Das war auch nicht meine Absicht.“ In den acht Jahren Tolerierung habe die PDS das Geschäft gelernt, sagt Böhmer.

Im März 2016 wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Im dritten Anlauf will Gallert Ministerpräsident werden. Er setzt auf Rot-Rot-Grün: „„Wir alle drei würden gut zusammenpassen.“