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Müllskandal „Weißwürste“ aus der Schweiz

Kronzeuge Uwe S. offenbart neue Details, wie die Bestechung Finzelbergs abgelaufen sein soll. Dabei geht es auch um Geld aus der Schweiz.

02.12.2015, 23:01

Magdeburg l Stundenlang saß er auf der Zeugenbank. Hunderte Fragen musste Uwe S. beantworten. Die Verteidiger der ehemaligen Tongrubenbetreiber (Edgar E. und Siegfried K.) und von Ex-Landrat Finzelberg (parteilos) klopften jedes Detail ab.

Die Vorwürfe gegen ihre Mandanten wiegen schwer: Mindestens 260 000 Euro soll Finzelberg laut Anklage von den Geschäftsmännern kassiert haben, um auf die Genehmigungs- verfahren für die Tongruben in Möckern und Vehlitz (Jerichower Land) Einfluss zu nehmen. Dort wurden zwischen 2005 und 2008 rund 1,3 Millionen Tonnen hausmüllähnliche Abfälle illegal entsorgt.

Uwe S. legte am gestrigen Mittwoch dar, wie die Bestechungsvorgänge über die Bühne gegangen sein sollen. Übergeben habe er Finzelberg die Geldbeträge zumeist selbst, sagte er.

Mal im Auto, mal in Finzelbergs Wohnhaus in Genthin, mal auf einem Hochsitz im Wald – Zehntausende Euro habe er dem ehemaligen Landrat des Jerichower Landes persönlich zukommen lassen, sagte der Kronzeuge.

Abgerechnet habe er die Bestechungsgelder ausschließlich mit Edgar E., der ebenso Angeklagte Hamburger Unternehmer Siegfried K. sei in die Zahlungen nicht eingebunden gewesen, sagte Uwe S. „Aber ich bin davon ausgegangen, dass er davon wusste. Es gab Besprechungen, wo er anwesend war.“ Edgar E. sei jedoch der Mann vor Ort gewesen, er habe das Sagen gehabt und die Geschäfte geführt, sagte Uwe S.

Eine Verbindung von Finzelberg zu Siegfried K. soll es aber dennoch geben. Finzelbergs Tochter habe 2006/2007 einen Praktikumsplatz gesucht und sei schließlich in einer Firma von Siegfried K. angestellt worden. Bei der Staatsanwaltschaft hat Uwe S. einst ausgesagt, dass Finzelberg für seine Tochter auf diese Weise zusätzliche Einnahmen generieren wollte; die Arbeit selbst habe jedoch nicht stattfinden sollen, so Uwe S. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft soll Finzelberg zur selben Zeit seine monatlichen Zahlungen an seine Tochter eingestellt haben.

Als Finzelberg Anfang 2008 erneut an Uwe S. herangetreten und Geld gefordert haben soll, ist es laut dem Kronzeugen zu einem besonderen Geldfluss gekommen. Über einen Verbindungsmann habe er mit Edgar E. 20 000 Euro von einem Konto in der Schweiz angefordert, sagte Uwe S. Bei einem Telefonat habe der Tongrubenbetreiber davon gesprochen, dass „Weißwürste“ mitgebracht werden sollten. Dies soll laut Uwe S. das Codewort für Bestechungsgelder gewesen sein.

Warum Finzelbergs Geldbedarf so hoch gewesen sein soll, ist unklar. Uwe S. sagte, der ehemalige Landrat habe ihm gegenüber einmal von Schulden gesprochen. Diese sollen möglicherweise im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Finanzberater vor seiner Landratszeit stehen.

Die Verteidigung ließ gestern wenig Zweifel daran, dass sie den Kronzeugen für unglaubwürdig hält. Uwe S. war 2010 zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden (Brandstiftung, Subventionsbetrug). Wegen zahlreicher anderer Ermittlungsverfahren drohte ihm eine noch weit höhere Strafe – doch diese stellte die Staatsanwaltschaft nach einer Verständigung ein. Uwe S. sagte gegen Finzelberg aus und räumte die Bestechung ein.

Unter welchen Umständen es letztlich zu dem Deal kam, hinterfragten die Verteidiger vehement. Der Kronzeuge konnte sich an die Details nicht mehr erinnern. Eines jedoch wollte er klarstellen: „Ich wollte einen Schlussstrich ziehen.“