1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Die neue Schlacht-Ordnung

Junge Fleischer Die neue Schlacht-Ordnung

Für Daniel Knappe gehört Töten zum Beruf. Knappe ist Anfang 20 und schlachtet selbst. Er ist einer der wenigen jungen Fleischer im Land.

13.01.2016, 23:01

Magdeburg l Daniel Knappe wartet an der Eingangstür des Schlachthauses. Der 23-Jährige ist seit Juni Metzger auf dem Biohof Gut Glüsig bei Haldensleben (Landkreis Börde). Knappe ist in voller Arbeitsmontur: Neben Hemd und Hose trägt er eine Plastikschürze und Plastikschuhe. Das Schlachthaus auf dem idyllischen Gut in der Magdeburger Börde ist nur wenige Meter entfernt vom hofeigenen Schweinestall. Rund 40 Borstenviecher warten dort, bis Knappe ihrem Leben ein Ende setzt. Der junge Mann ist einer der wenigen Metzger in Sachsen-Anhalt, die noch selbst schlachten und das Fleisch nicht von einem Großhändler beziehen.

Für Knappe ist das Töten eines Tieres auch der erste Schritt zum Lebensmittel. Er sieht das nüchtern: „Fleisch ist ein Produkt. Vorher war es ein lebendiges Tier, aber darüber denke ich gar nicht nach.“ Schlachten als tägliche Routine. Im Schlachthaus betäubt Knappe das Schwein mit einer Elektrozange. Ohnmächtig sinkt das Tier zu Boden. Wenige Sekunden später hängt der Körper mit den Hinterläufen an einer Eisenstange. Mit einem schnellen Schnitt ist die Halsschlagader des Tieres durchtrennt. Das Blut fließt in einen Eimer. Nach einer halben Minute ist der Körper ausgeblutet. Das Schwein ist tot.

Dann beginnt die Arbeit von Daniel Knappe. Mit einem Bunsenbrenner wird das Schwein abgeflammt. Danach kratzt Knappe mit einem Messer die restlichen Borsten ab. Der Körper ist warm und glatt, als Knappe das Schwein in zwei Hälften zerteilt. Er fängt an, das Tier auszunehmen.

In der Luft hängt der intensive Geruch von Blut. Daniel Knappe ist dieser Duft seit seiner Kindheit vertraut. Sein Onkel war Fleischer und hat zu Hause selbst geschlachtet. Knappe erinnert sich: „Wenn es an das Schlachten ging, war das für mich als Kind immer ein Erlebnis.“ Diese Erinnerungen bleiben hängen. Nach seiner Schulzeit fängt Knappe eine Lehre als Fleischer bei dem Magdeburger Betrieb Delikata an. Dort trifft er auch Felix Arndt, dem wie Daniel Knappe das Fleischermesser in die Wiege gelegt wurde.

Der damals 16-jährige Arndt lernt das Fleischerhandwerk unweit des Ortes, an dem sein Großvater jahrzehntelang geschlachtet hat. In der Magdeburger Liebknechtstraße liegt Knappes Ausbildungsbetrieb Delikata schräg gegenüber dem ehemaligen städtischen Schlachthof. Dort arbeitete der Opa von Felix Arndt bis nach der Wende, bis der Schlachtbetrieb eingestellt wurde. Heute werden auf dem Gelände im Magdeburger Stadtteil Stadtfeld keine Tiere mehr getötet. Aus den ehemaligen Schweineställen sind Werkstätten oder Lagerräume geworden.

Felix Arndt hat von seinem Großvater viel über die Zeit berichtet bekommen, als noch mitten in der Stadt Tiere geschlachtet wurden. „Er hat mir schon als Kind beigebracht, dass Tiere dafür da sind, um vom Menschen gegessen zu werden“, sagt Arndt, der heute 20 Jahre alt ist. Während seiner Ausbildung lernt er mit dem Metzgermesser umzugehen und aus einem Stück Fleisch bekömmliche Spezialitäten herzustellen.

Felix Arndt und sein Kollege Daniel Knappe haben als junge Fleischer in Sachsen-Anhalt Seltenheitswert. Die Ausbildungszahlen gehen seit Jahren zurück. Immer weniger junge Menschen können sich vorstellen, mit dem Töten und Schlachten von Tieren ihr Geld zu verdienen. Dirk Cuno, Chef der Magdeburger Fleischereikette Delikata: „Vor zehn Jahren hatten wir noch etwa 90 Bewerbungen auf unsere Ausbildungsplätze. Heute haben wir zwei und geben beiden Bewerbern einen Vertrag.“ In der Berufsschule habe es früher getrennte Klassen – Fleischer und Verkäufer – gegeben. Nun lernen beide Azubi-Gruppen gemeinsam. Cuno und seine Metzgerkollegen im Bundesland haben Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden.

Woran liegt das?

Cuno zuckt mit den Schultern. Wahrscheinlich sind die Arbeitszeiten unattraktiv, denn es gebe nicht viele Jugendliche, die gerne früh aufstehen, sagt er. Zudem sei die Arbeit körperlich anstrengend. Auch die Bezahlung, im ersten Lehrjahr im ostdeutschen Durchschnitt 286 Euro, dürfte keine Entscheidungshilfe sein. Dann ist da noch das Image. Doch: „Das Bild vom blutverschmierten Kittel ist übertrieben“, sagt Cuno, der mit Delikata zwölf Filialen hat und rund 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Das Geschäft vieler Fleischer steht aber nicht nur angesichts der rückläufiger Azubi-Zahlen auf wackligen Beinen. Viele Metzgereien sehen sich als Einzelkämpfer der Marktmacht von Supermärkten und Discountern gegenüber. Fleisch geht heute in zwei von drei Fällen als Selbstbedienungsware im Aldi, Lidl, Edeka oder Rewe an den Kunden.

Auch Felix Arndt hat sich vom klassischen Fleischer-Beruf verabschiedet. Bei dem Caterer Alex Menü bereitet er das Fleisch für die zahlreichen Schulessen vor, die täglich auf die Reise gehen. Nur privat greift er noch zum Schlachterbeil: Die Enten und Gänse vom eigenen Bauernhof lagen als Weihnachtsbraten auf seinem Teller.