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Abwasser-Streit Linke will Verfassungsklage

Die Linke strebt im Streit um rückwirkende Abwasser-Beiträge eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht an.

Von Jens Schmidt 29.01.2016, 00:01

Magdeburg l „Wir befinden uns derzeit in Konsultation mit Juristen zur Erstellung einer Klageschrift“, sagt Linken-Frakionschef Wulf Gallert der Volksstimme. Die Oppositionsfraktion will vom Landesverfassunsgericht in Dessau/Roßlau klären lassen, ob das nachträgliche Abkassieren von Kanalbaubeiträgen rechtens ist. Sollten die Richter das als verfassungswidrig geißeln, müsste das Land sein Gesetz ändern. Die 2015 verschickten Beitragbescheide wären nichtig, Tausende bräuchten nicht zu zahlen oder sie müssten ihr Geld zurückbekommen. Im Mittel geht es um 2000 bis 10  000 Euro. Voraussichtlich im Februar soll die Klageschrift fertig sein.

Das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe urteilte schon 2013, dass Gemeinden nicht ewig Zeit haben, um nach dem Bau einer Anlage Rechnungen zu verschicken. Daraufhin beschloss der Landtag 2014 eine zehnjährige Verjährungsfrist. Auf Druck der Kommunen räumte die CDU-SPD-Koalition den Gemeinden aber ein Jahr Übergangsfrist ein: Sie durften 2015 doch noch für Altfälle kassieren ­– oft für Bauten aus den 90er Jahren.

Die Gemeinden erhoffen sich Einnahmen von 100 Millionen Euro. Betroffen sind vor allem Eigentümer, deren Haus schon vor 1991 einen Anschluss hatte, die aber noch nicht an den Kosten für den Aufbau der modernen Klärwerksanlage nach der Wende beteiligt worden waren.

Ende 2015 urteilte das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus Brandenburg erneut: Belastungsklarheit für Eigentümer wiegt schwerer als das Finanzinteresse der Gemeinden. Tausende legten in Sachsen-Anhalt gegen die Rechnungen Widerspruch ein. Unklar ist, ob aufgrund des neuerlichen Urteils auch Sachsen-Anhalts Gesetz verfassungswidrig ist. Linke und Grüne forderten die Regierung gestern erneut auf, selbst nach Karlsruhe zu gehen, um das prüfen zu lassen. Die sieht sich aber in der misslichen Lage, dann gegen ein von der Koalition gemachtes Gesetz vorgehen zu müssen. Die Regierung will daher ein Rechtsgutachten in Auftrag geben. CDU und SPD beschlossen diese Vorgehensweise gestern im Landtag.

Die Absicht der Linken, nun zudem die Landesverfassungsrichter anzurufen, wird als Befreiungsschlag empfunden. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU): „Ich begrüße das ausdrücklich, wenn wir danach Rechtssicherheit bekommen.“

Der Innenminister hatte in einem Erlass alle Kommunen und Verbände „gebeten“, bis zur Klärung der Rechtslage die umsrittenen Beiträge nicht einzufordern. Wegen der offenen Rechtslage habe er dies als Bitte formuliert und keine Anordnung getroffen, sagte Stahlknecht. Doch einige Verbände lehnen das ab.

Der Geschäftsführer des WWAZ in Wolmirstedt, Jörg Meseberg, sagte: „Wir können uns gar nicht an den Erlass halten.“ Es gebe eine Anordnungsverfügung, wonach er die Beiträge abrechnen müsse.

Stahlknecht entgegnete: „Dafür habe ich kein Verständnis.“ Mit der Verfügung aus dem Jahr 2015 sei der Verband aufgefordert worden, erstmal eine Satzung zu verabschieden, ehe er Beiträge erhebt. Diese Verfügung sei kein Grund, seinem Erlass nicht nachzukommen. Stahlknecht: „Wir sind die oberste Kommunalaufsicht.“