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Steuern Kommunen ziehen Steuerschraube an

Immer mehr verschuldete Kommunen müssen Gewerbesteuern erhöhen, um Einnahmen zu erzeugen. Experten schlagen nun Alarm.

22.02.2016, 23:01

Stuttgart/Magdeburg (dpa/vs) l In Deutschland geraten laut einer Studie immer mehr arme Kommunen in einen Teufelskreis aus Verschuldung und Steuererhöhungen. Einer neuen Studie des Prüfungs- und Beratungskonzerns EY (Ernst & Young) zufolge öffnet sich die Schere zwischen reichen und finanzschwachen Standorten zusehends, und bundesweit vergrößert sich ein Nord-Süd-Gefälle. So erhöhten zwischen 2010 und 2015 allein 57 Prozent der 11 103 deutschen Kommunen die Gewerbesteuer. Zwei Drittel der deutschen Kommunen haben laut EY einen hohen Hebesatz von 350 Prozent oder mehr.

Allein für das erste Halbjahr 2015 haben deutschlandweit nur 35 Kommunen die Gewerbesteuer gesenkt, während sie 1558 Kommunen erhöhten. „Die Spreizung zwischen den Kommunen nimmt von Jahr zu Jahr zu“, sagte auch Kathrin Andrae vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Kurzfristig spülen höhere Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze zwar mehr Geld in die kommunalen Kassen. Doch auf lange Sicht können sie kontraproduktiv sein: Der Standort verliert an Attraktivität, und das Wohnen wird teurer.“ Unternehmen könnten somit abwandern, Neuansiedlungen würden erschwert. „Vor allem finanzschwache Kommunen in strukturschwachen Regionen kommen so leicht in einen Teufelskreis aus hohen Schulden, Einsparungen bei der Infrastruktur, steigenden Steuern und Gebühren und damit sinkender Attraktivität“, sagte EY-Fachmann Bernhardt Lorentz. Für die entstandenen zwei Welten hat der DIHK ein Rechenbeispiel zum Gewerbesteuer-Hebesatz. Während der vergangenes Jahr in Eschborn in Hessen bei 280 Prozent lag, betrug er in Oberhausen im Ruhrgebiet 550 Prozent. Ein Unternehmen mit einem Jahresgewinn von 500 000 Euro zahle dadurch in Oberhausen fast doppelt so viel.

Sachsen-Anhalt ist laut Studie das einzige Bundesland, in dem eine größere Zahl von Kommunen den Gewerbesteuer-Hebesatz seit 2010 reduziert hat. Knapp 14 Prozent von ihnen senkten den Hebesatz. Bundesweit hat dies demnach lediglich ein Prozent der Städte und Gemeinden getan. Immerhin rund 30 Prozent der Kommunen in Sachsen-Anhalt hielten ihren Gewerbesteuer-Hebesatz zwischen 2010 und Mitte 2015 konstant. Gut 55 Prozent erhöhten ihn allerdings. Durchschnittlich lag der Hebesatz laut Studie zum 30. Juni 2015 in Sachsen-Anhalt bei 343 Prozent – und damit klar unter dem bundesweiten Schnitt von rund 430 Prozent.

Der EY-Studie zufolge gehörte die Stadt Lützen (Burgenlandkreis) mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 217 Prozent zu den günstigsten in Deutschland. Dessau-Roßlau, Halle, Magdeburg und Thale gehörten mit 450 Prozent zu den Kommunen mit den höchsten Sätzen.