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Film Ein Oscar für einen Hallenser

Sachsen-Anhalt hat jetzt einen Oscar-Preisträger. Urs Rechn aus Halle spielt mit in „Son of Saul“, der bester ausländischer Film wurde.

Von Elisa Sowieja 04.03.2016, 00:01

Halle/Los Angeles l Am Montag um 15.50 Uhr hob sein Flieger zurück nach Berlin ab. Urs Rechn saß aber nicht drin: Abreise wegen Oscar-Gewinns verschoben. Dabei war er sich am Abend zuvor, als er mit seinen sechs Kollegen rausgeputzt im Dolby Theatre Los Angeles saß, noch so sicher, dass er mitfliegen würde. Der Preis für den besten fremdsprachigen Film, dachte der 38-Jährige, ginge klar an die Franzosen. Doch dann fiel der Satz, der einen Sachsen-Anhalter zum Oscar-Träger machte: „And the winner is ‚Son of Saul‘!“

„Im ersten Moment bin ich zusammengesackt und hab geheult. Dann ist der Cutter aufgesprungen und hat mich angebrüllt: ‚Osscaaar!‘ Und ich hab zurückgebrüllt!“ So wie Rechn das erzählt, bekommt man selbst am Telefon ein bisschen Gänsehaut.

Das ungarische Drama dreht sich um den Auschwitz-Häftling Saul, der in einem der dort ermordeten Kinder seinen Sohn zu erkennen glaubt und ihn würdig bestatten will. Rechn, geboren und aufgewachsen in Halle, spielt darin eine der drei tragenden Figuren: den jüdischen Oberkapos Biedermann.

An die Rolle kam der 38-Jährige nur durch Zufall. Auf der Suche nach einem deutschsprachigen Schauspieler entdeckte der Regisseur im Internet eine Art Demoband von ihm und lud ihn zum Casting ein. Normalerweise vermitteln einem diese Castings Agenten. Nur: So einen hat er noch nicht. Bisher besorgt sich Rechn, der nach dem Schauspielstudium lange in Chemnitz Theater spielte, alle Rollen auf eigene Faust. Zum Beispiel im „Tatort“, „Polizeiruf 110“, und im Kinofilm „Wir waren Könige“.

Damit sich das endlich ändert, hat der Hallenser, derzeit wohnt er in Berlin, Montagfrüh seinen Rückflug auf Freitag umgebucht. Seitdem tingelt er Tag für Tag zu Empfängen und Partys von Filmemachern in Hollywood. „Im Moment wird mir hier der Rote Teppich ausgerollt. Ich werde zu Veranstaltungen eingeladen, zu denen ich sonst nie Zutritt hätte“, erzählt er und schiebt lachend hinterher: „Zum Glück hab ich vorher Visitenkarten drucken lassen.“

Besonders froh ist Urs Rechn über Kontakte zu Produzenten, denn: „Wenn man hier einen Agenten finden will, geht ohne Empfehlung nichts. Jetzt hab ich zumindest einen Fuß in der Tür – allerdings noch ohne Schuh.“

Aber seien wir ehrlich: Nur an Arbeit denkt der Schauspieler in Los Angeles selbstverständlich nicht. In der Nacht der Preisverleihung zum Beispiel durfte er zu Partys gehen, auf denen Weltstars wie Sylvester Stallone und Kevin Spacey herumsprangen. Um ein Haar hätte er auch noch in der Villa gefeiert, die Oscar-Kollege Leonardo Di Caprio gemietet hatte. Doch blöderweise bildete sich vor dem Eingang ein so langer Limousinen-Stau, dass die Polizei alle Autos wegschickte.

Wenn der Hallenser heute nach Berlin fliegt, ist sein Gepäck übrigens Oscar-frei. „Die Trophäe nimmt der Regisseur mit“, erzählt er. Doch der hat zum Glück ein Herz. Rechn: „Er hat mir versprochen, dass ich ihn immer sehen kann, wenn ich in Ungarn bin.“ Sogar anfassen darf er ihn.

Der Film „Son of Saul“ kommt am 10. März in die deutschen Kinos.