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MDR-Wahlsendung Viel Frust und wenig Freude

Kurz vor der Landtagswahl befragt der MDR Spitzenkandidaten. Dabei wird viel geredet über die AfD, deren Vertreter nicht eingeladen sind.

Von Michael Bock 09.03.2016, 00:01

Magdeburg l Montagabend im Landesfunkhaus in Magdeburg. Die Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien betreten das kleine Fernsehstudio. „Fakt ist!“ heißt die Sendung. Laut Eigenwerbung ist die sogenannte Elefantenrunde der „Höhepunkt des Wahlkampfs in Sachsen-Anhalt“. Allerdings: Der „Höhepunkt“ wird erst ab 22.05 Uhr ausgestrahlt. Zur Hauptsendezeit läuft die deutsche Komödie „Sophie kocht“.

Kurz vor Sendebeginn steht Linke-Spitzenmann Wulf Gallert am Pult, die Hände in die Taschen vergraben, lächelnd. Neben ihm Claudia Dalbert von den Grünen, auf einem kleinen Podest. So wirkt die Hallenserin für die Fernsehzuschauer fast so groß wie der 1,88 Meter große Gallert. Sie ist demonstrativ gut gelaunt. Auf der Gegenseite beziehen Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und SPD-Spitzenfrau Katrin Budde Position. Beide machen einen recht angespannten Eindruck. Zu Beginn der Sendung werden Bürger zu Politikern befragt. Es kommen drei Menschen zu Wort, allesamt miesepetrig. Politiker? Problemlösung? „Ach, das kriegen die sowieso nicht hin“, winkt einer ab.

Und schon nimmt Moderatorin Anja Heyde erstmals das Wort „AfD“ in den Mund, die ja aus Protest gewählt werde. Wulf Gallert sagt: „Den rassistischen, demokratiefeindlichen Parolen der AfD beugen wir uns nicht.“ Für die AfD, zuletzt in Umfragen bei bis zu 19 Prozent verortet, antwortet – niemand. Der MDR hat keinen AfD-Vertreter eingeladen. Das kritisieren auch Zuschauer. „Harzer 38855“ schreibt auf der MDR-Internetseite: „Warum hat man die Chance verpasst, die hohlköpfigen Sprücheklopfer der AfD vorzuführen? Unverzeihlich!“ Ein anderer kommentiert das so: „Das System des gebührenfinanzierten Staatsfernsehens verliert an Glaubwürdigkeit.“

Der MDR argumentiert: „Ergebnisse aus Vorwahlumfragen sind ein nachrangiges Kriterium mit geringer Aussagekraft.“

Die Moderatorin zeichnet in der Sendung ein sehr einseitiges, düsteres Bild von Sachsen-Anhalt wie auch der Politik. Stichworte: Unzufriedenheit, Frust, nicht eingelöste Wahlversprechen, Vertrauensverlust. Steilvorlagen für Claudia Dalbert. Sie sagt: „Zu wenig Lehrer, zu wenig Polizisten, zu lange Wartezeiten bei den Gerichten. Ich verstehe zum Teil den Frust der Leute.“

Haseloff versteht Frau Dalbert nicht. „Die Stimmungslage im Land ist so schlecht nicht“, sagt er. Später nochmal: „Ich glaube nicht, dass es eine permanente Unzufriedenheit gibt. Wir können das Land doch nicht schlechter reden, als es ist.“ Gallert entgegnet, eines der größten Probleme Sachsen-Anhalts sei der Ministerpräsident. Er rede die Lage schön. Er verfahre nach dem Motto: „Ich wünsche mir meine Welt zurecht.“ Budde meint, es gebe viele Unzufriedene. Und: „Im Zweifel müssen wir einfach ehrlicher sein und sagen: Das schaffen wir nicht.“

In der Wirtschaftspolitik steht Haseloff in dieser Runde allein da. Er verweist auf eine Statistik, wonach in Sachsen-Anhalt im Vergleich der ostdeutschen Länder die zweithöchsten Löhne bei den sozialversicherungspflichtigen Vollzeit-Arbeitsplätzen gezahlt werden. Gallert wirft ihm eine geschönte Bilanz vor, weil in der Statistik zahlreiche Teilzeitstellen fehlen würden.

Auch in der Flüchtlingspolitik geraten die Politiker aneinander. Haseloff fordert eine Integrations-Obergrenze von 12.000 Menschen pro Jahr. Dalbert sagt: „Das ist ein populistischer Vorschlag, den ich für gefährlich halte.“ Und: „Die Integrationsbereitschaft unserer Gesellschaft ist noch lange nicht ausgereizt.“ Gallert sagt zur Obergrenzen-Diskussion: „Diese Debatte hat die AfD stark gemacht.“ „Wir kennen unsere Grenzen“, sagt Haseloff. Man wolle sich vor allem um Flüchtlinge mit Bleibeperspektive kümmern.

Wer hat sich wie geschlagen? Punktsieger ist Gallert, der immer wieder Haseloff attackiert. Der Ministerpräsident vermittelt zuweilen einen fahrigen Eindruck. Es fällt ihm nicht immer leicht, in der Schlechte-Laune-Sendung Haltung zu bewahren. Budde hält sich mit Angriffen auf die CDU zurück. Sie wirkt angeschlagen. Dalbert kann allem noch etwas Gutes abgewinnen. Dass sie nur 27 Prozent der Sachsen-Anhalter kennen? Kein Ding! Dalbert jubelt: „Das ist doch ein großartiger Wert.“

Moderatorin Heyde hat mal gesagt: „Bei ,Fakt ist!’ habe ich die Möglichkeit, ein Thema nicht nur in einer kurzen Moderation abzuhandeln, sondern es von allen Seiten zu beleuchten.“ Hätte sie es doch nur getan.