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Wahlbetrug Zweiter Fälscher im Visier

Die Ermittlungen in Stendal wurden erweitert: Ein zweiter CDU-Bewerber soll 2014 Unterschriften gefälscht haben.

17.03.2016, 23:01

Stendal l Bislang stand der ehemalige CDU-Stadtrat Holger Gebhardt im Fokus der Ermittlungen. Der Vorwurf: Er soll bei der Wahl am 25. Mai 2014 sein außergewöhnlich hohes Briefwahlergebnis von 689 Stimmen – mehr als elf Prozent aller abgegebenen Briefwahlstimmen – durch gefälschte Vollmachten erzielt haben. In diesem Zuge ermittelt die Staatsanwaltschaft auch gegen zwölf Personen, die als mutmaßliche Helfershelfer in Gebhardts Auftrag insgesamt 189 Briefwahlunterlagen im Stendaler Rathaus abgeholt haben.

„Das war die kriminelle Energie Einzelner, die durch eine Verwaltungspanne möglich wurde“, hatte der Stendaler CDU-Stadtverbandsvorsitzende und Landtagsabgeordnete Hardy Peter Güssau zuletzt betont.

Die Strafermittler gehen nun davon aus, dass ein weiterer CDU-Bewerber Vollmachten und Stimmen gefälscht hat. Dabei ist der Umfang der Vorwürfe weitaus geringer als bei Gebhardt. Pressesprecher Thomas Kramer beziffert die Zahl der manipulierten Unterlagen auf „unter zehn“.

Er bestätigte Volksstimme-Recherchen, wonach es sich hierbei um Andreas H. handelt. Dieser erhielt damals bei der Stadtratswahl die Hälfte seiner 122 Stimmen per Briefwahl. Wie es heißt, soll er eine „Art eigenes kleines Wahlbüro“ eröffnet haben.

H. ist Chef eines kleinen Betriebes und sorgte bereits im Herbst 2014 für Schlagzeilen. So hatte er zur am Ende ungültigen Wiederholung der Briefwahl seine Belegschaft während der Arbeitszeit ins Briefwahllokal im Rathaus kutschieren lassen. Am Steuer: Holger Gebhardt.

Der Firmenchef bestätigte dies damals – „ehe die Stimmen woanders hingehen“. Nicht nur das. Zudem hätten die Mitarbeiter von Gebhardt eine „Aufwandsentschädigung“ von zehn Euro erhalten. H. erklärte dazu: „Andere veranstalten Wahlpartys für ihre Wähler.“ Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt stellte daraufhin Strafanzeige.

Dass der parteilose H. auch als mutmaßlicher Fälscher ins Visier der Staatsanwaltschaft geriet, erbrachten die umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Laut Kramer gibt es insgesamt 313 gefälschte Dokumente: 132 Vollmachten für die Aushändigung von Briefwahlunterlagen und 181 eidesstattliche Erklärungen – mit letzteren konnten jeweils drei Stimmen für die Wahlen zum Stadtrat und zum Kreistag abgegeben werden.

Die Strafermittler gehen von fast 1100 gefälschten Stimmen aus. Nähere Aufschlüsse über Umfang und mögliche Täter soll ein Schriftgutachten aus dem Landeskriminalamt liefern. Die für Ende Februar angekündigte Expertise wird von der Staatsanwaltschaft nunmehr nach Ostern erwartet.