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Bauhaus Im Land der Fantasten und Erfinder

Mit dem Ausstellungsprojekt „Große Pläne!“ will die Stiftung Bauhaus Dessau Sachsen-Anhalt als Land der Moderne präsentieren.

Von Grit Warnat 04.05.2016, 01:01

Dessau l „Dereinst in ungehemmtem Schaffen werde Neu-Magdeburg zur schönsten Stadt der Erde.“ Welch ein hehrer Wunsch, der Anfang der 1920er Jahre ausgerechnet auf einem Notgeldschein prangte. Die Inflation in Deutschland explodierte. Trotzdem steckt in dem Spruch ein Aufbruchswunsch, ein Traum-Blick in die Zukunft. In Magdeburg war Bruno Taut damals gerade zum Stadtbaurat ernannt worden. Trotz der schwierigen Zeit hatte er visionäre Pläne. Für Torsten Blume, gemeinsam mit Janek Müller Kurator der Dessauer Ausstellung, war Taut ein Baufantast. Der Stadt Magdeburg bezeugt Müller Mut, diesen Visionär eingestellt zu haben.

Der Name Taut steht für Architektur-Moderne, für soziales Bewusstsein beim Bauen, für Mut zur (in der Bürgerschaft umstrittenen) Farbe. Verbunden ist Tauts Wirken in Magdeburg vor allem mit dem Siedlungsbau. In der Dessauer Ausstellung ist immer wieder Taut zu finden, sein Glaskastenspiel zum Beispiel, ein farbiges Baukastensystem zum Basteln einer Zukunftsstadt. In einer Karikatur mit Magdeburger Dom und Kunstgewerbe- schule prangt über diesen „Leuchttürmen“ der Stadtbaurat. „Taut steht für den Umbau und die Weiterentwicklung Magdeburgs und damit exemplarisch für den damaligen Neubeginn“, sagt Blume.

Dessau mit seinem Markenzeichen Bauhaus oder Magdeburg. Die Städte standen nicht nur für sich. Burg Giebichenstein in Halle, Bauschule Zerbst, Kunstgewerbeschule in Magdeburg. In Merseburg agierte ein rühriger Baurat. „An verschiedenen Orten der Region gab es eine Zusammenarbeit und eine Durchdringung der Fantasien“, sagt Janek Müller. Es sei Planern, Architekten, Künstlern, Ingenieuren, Erziehern, Pädagogen, Unternehmern und Politikern um die Gestaltung einer Industrieregion insgesamt gegangen, so der Kurator, der betont, dass es zu dieser Zeit auch erste Versuche einer Landesplanung gegeben habe – weg von den engen Grenzen einer Stadt. Müller: „Es wurden Fenster aufgemacht und neue Luft reingelassen.“ Er spricht von einem ganzen Kosmos der Angewandten Moderne.

Das Kaiserreich war weg, mit Gründung der Weimarer Republik wurde die Frage aktuell, wie man die Moderne gestalten will. Es herrschte Aufbruchstimmung im heutigen Sachsen-Anhalt.

Taut arbeitete für Berlin, dann für Magdeburg. Viele andere Visionäre fanden ebenso den Weg in die Region zwischen Dessau, Halle und Magdeburg. Warum Mitteldeutschland? Braunkohle, Kalibergbau, Chemieindustrie, Ingenieurkunst florierten, zu Weltkriegszeit die Rüstungsindustrie. Das Gebiet stand für große Industrie, für viele Arbeitsplätze, auch für Wohnungsnot. Wohnraum musste her, vor allem auch Lebensqualität.

Bauhaus-Chefin Claudia Perren spricht mit Blick auf damals von einem Experimentierfeld. Ohne Hesse als Bürgermeister, sagt sie, wäre das Bauhaus nicht in die Stadt gekommen. Es gab andere attraktive Anwärter. „Hier war aber vieles möglich, was in anderen Regionen nicht möglich war“, sagt sie. Zum Beispiel, dass Xanti Schawinsky, ein Künstler aus der Schweiz, der einst ans Bauhaus kam und neben Oscar Schlemmer eine wichtige Figur war, Leiter der Grafikabteilung im Hochbauamt in Magdeburg wurde.

„Moderne Typen, Fantasten und Erfinder“, so der Titel der Dessauer Übersichtsschau zur Angewandten Moderne zwischen 1919 und 1933, sei keine Ausstellung im klassischen Sinn, sagen Blume und Müller. Die beiden Kuratoren sprechen von einem Präsentationslaboratorium, dem auch die Gestaltung entsprechen soll. Ein Stuttgarter Architekturstudio zeichnet dafür verantwortlich, borgt sich wiederverwertbare Materialien aus der Region wie dem Mansfelder Aluminiumwerk.Eingebettet in diese Industriematerialien, zusammengehalten mit Schraubzwingen und Spanngurten, gibt es Sichten auf Pläne, Entwurfszeichnungen, Konstruktionen. Modelle sind ausgestellt, Filme zu sehen, an Hörstationen kommen die Protagonisten zu Wort.

Das Stadtplanerische spielt eine große Rolle, doch der Blick richtet sich auch auf Visionen in der Luftfahrt, der Reformpädagogik, der Reklame, wie das Schaffen von Wilhelm Deffke, dem Grafikdesigner, der als Pionier des modernen Corporate Designs gilt und der einst Direktor der Magdeburger Kunstgewerbeschule war.

Intensiver beleuchtet wird das Schaffen Deffkes in einer Korrespondenzschau in jener einstigen Kunstgewerbeschule, dem heutigen Magdeburger Forum Gestaltung. Das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen zeigt eine Retrospektive zu Schawinsky, das Technikmuseum vertieft die Geschichte der Magdeburger Pilotenrakete. Sieben Städte beteiligen sich mit Ausstellungen am Projekt „Große Pläne!“.

Claudia Perren wünscht sich mit Blick auf das Bauhaus-Jubiläum 2019 eine Etablierung des Themas Moderne in Sachsen-Anhalt – und auch im Heute Mut und Risikofreunde zu Visionen.

Ausstellung am Bauhaus Dessau vom 4. Mai bis zum 6. Januar 2017, täglich 10 bis 17 Uhr geöffnet.