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Fricopan Tränen, Wut, Enttäuschung

Ende August schließt das Werk des Backwarenherstellers Fricopan in der Altmark. Einen Investor will Mutterkonzern Aryzta nicht suchen.

09.05.2016, 23:01

Immekath/Klötze l Zwei weiße Türen mit Milchglasscheiben verdecken den Altmarksaal im Stadtzentrum von Klötze. Hier werden sonst Hochzeiten oder Geburtstage gefeiert. Doch die Stimmung am Montagmorgen ist weniger euphorisch: Denn hinter den Türen erfahren mehr als 500 Mitarbeiter des Backwarenherstellers Fricopan, dass sie Ende August arbeitslos sein werden. Mutterkonzern Aryzta schließt den Standort.

Anja Zapka-Volkmann, Personalchefin des Konzern für Europa, und Marc Michael Saam, Geschäftsführer von Fricopan, verkünden das Ende. Den Aryzta-Managern schlägt die Enttäuschung der Beschäftigten entgegen: Wieso, warum jetzt? Nachdem das Unternehmen das beste Ergebnis in der Geschichte eingefahren hatte: Im vergangenen Jahr erzielte Fricopan einen Gewinn von 9,33 Millionen Euro vor Steuern. Eine Frau stürzt aus dem Saal. Sie greift sich mit der Hand ins Haar. Dann weint sie.

Aryzta nennt für die Entscheidung wirtschaftliche Gründe. Die Auftragslage bei Fricopan sei in den vergangenen Monaten dramatisch schlechter geworden. Große Kunden hätten sich von dem Unternehmen verabschiedet. Die alten Maschinen würden Anforderungen in der Branche nicht mehr genügen. Eine Investition, die den Anlagenpark auf Vordermann brächte, würde sich aber wirtschaftlich nicht lohnen, erklärt Günther Lindinger, Sprecher des Konzerns. Zudem sei die Verkehrsanbindung des Werks in Klötze schlecht.

Die Mitarbeiter halten die Gründe für konstruiert. „Uns sind Stück für Stück Produkte weggenommen worden“, sagt Gerda Hentschel, die Vorsitzende des Betriebsrates. Viele der ehemaligen Fricopan-Backwaren werden mittlerweile vom Schwesterunternehmen Klemme in Eisleben produziert. „Natürlich ist dann unsere Auftragslage schlecht“, sagt Hentschel.

Aryzta-Sprecher Lindinger will von einer Verlagerung der Produktion nichts wissen. Vielmehr hätten sich die Anforderungen der Kunden an Produkte so geändert, dass sie mit den Maschinen in Klötze nicht mehr herzustellen seien. Überzeugend klingt das nicht.

Weil der Markt für Backwaren umkämpft ist, soll das Fricopan-Werk auf keinen Fall an einen Konkurrenten verkauft werden. „Wir werden einem Interessenten aus der Backwarenbranche mit einer gewissen Distanz entgegentreten“, sagt Anja Zapka-Volkmann. Gegenüber anderen Investoren sei der Konzern aber gesprächsbereit.

Deutschlandweit hat der Schweizer Konzern Aryzta fünf Standorte. Ottmar Montag, Gesamtkonzernbetriebsrat, befürchtet weitere Werksschließungen. Erste Anzeichen gebe es bereits. In seinem Stammwerk im bayerischen Gerolzhofen sei der Sieben-Tage-Schichtbetrieb auf fünf Tage heruntergefahren worden.

In Klötze wird am Dienstag Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) erwartet. Dort wird er mit dem Betriebsrat und Landrat Michael Ziche (CDU) über das weitere Vorgehen beraten. Kurzfristig sieht das Jobcenter Stendal wenig Vermittlungschancen für derart viele Arbeitnehmer.

In den kommenden Tagen werde sich das Wirtschaftsministerium zudem die Vergabe der Fördermittel an die Aryzta-Unternehmen Klemme und Fricopan anschauen. Bereits Mitte 2014 habe es Hinweise gegeben, dass mit geförderten Investitionen bei Klemme in Eisleben die Produktion aus Klötze übernommen werden könne. Das sagt der Landtagsabgeordnete Andreas Höppner (Linke), ehemaliger Betriebsratschef bei Fricopan. Er lasse eine Klage wegen Fördermittelbetrugs durch Aryzta derzeit prüfen.

Klemme bekam 2014 fünf Millionen Euro Förderung für den Neubau eines 100 Millionen Euro teuren Werks. Bei Fricopan sind in frühere Investitionen 13 Millionen Euro Fördermittel geflossen. Die Bindungsfrist in Klötze sei Ende 2015 abgelaufen, so die Investitionsbank Sachsen-Anhalt.