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Wandern Schritte gegen Stress und Falten

Der Magdeburger Peter Hornemann ist leidenschaftlicher Wanderer. Der erste „Tag des Wanderns“ soll auch andere anstecken.

Von Elisa Sowieja 11.05.2016, 01:01

Magdeburg l Nein, das soll wirklich keine Bauchpinselei sein. Peter Hornemann sieht, ganz ehrlich gemeint, nicht aus, als wäre er 74. Wie er da so steht: Mitte 60, höchstens. Schlank ist er, hat eine gesunde Gesichtsfarbe, kaum Falten, einen wachen Blick. Und er hat eine Theorie, woher sein junges Aussehen kommt: „Das muss mit am Wandern liegen.“ Wie er darauf kommt? „Es ist ein so gesunder Ausdauersport. Man belastet die Knie nicht und ist ständig an der frischen Luft.“ In seinem Verein, sagt er, gebe es Mitglieder, die seien über 80. „Sie würden die höchstens auf 70 schätzen.“

An diesem Montagvormittag steht Hornemann in wind- und wasserdichter Montur im Stadtpark Magdeburg. Hier kennt er fast jeden Stein. Denn mit dem Magdeburger Harzklub – der Rentner ist dort Vorsitzender – kommt er seit Jahren hierher. 51 Mitglieder hat der Zweigverein. Einmal pro Woche wird eine geführte Tour angeboten – in den kühlen Monaten in Magdeburg und Umgebung, wenn‘s warm ist, meist im Harz. Die Wanderfreunde laufen dann zwischen 12 und 15 Kilometer. Peter Hornemann ist fast immer dabei.

Das allein genügt ihm aber längst nicht. Mit seiner Frau Inge marschiert er nochmal an zwei Tagen pro Woche los, die beiden legen dann sogar bis zu 20 Kilometer zurück. Zu Hause bleiben sie nur, wenn es regnet oder gewittert. Selbst im Urlaub geht‘s nicht etwa mit Flip-Flops an den Strand, sondern stets mit Wanderschuhen in die österreichischen Alpen.

Inge Hornemann hat das Hobby vor 47 Jahren quasi mitgeheiratet. Denn begeisterter Wanderer war ihr Peter schon in einem Alter, in dem diese Form der Freizeitgestaltung bei den meisten so angesagt war wie Bingospielen. Der Rentner erinnert sich: „Wenn unser Lehrer Herr Specht früher mit uns wandern ging, war ich meist der einzige, der sich gefreut hat.“ Später, in der Berufsschule, fuhr er bei jeder Gelegenheit mit einem Freund in den Harz. Und als er bei der Armee als Teil der Nachrichtentruppe im Wald Kabel ausrollte, nutzte er die Gelegenheit immer, um zwischen den Bäumen umherzustreifen.

Wenn Peter Hornemann mit seiner Frau unterwegs ist, gehen die beiden übrigens nicht einfach nur wandern. Sie fotografieren auch Wildtiere. Nach einem Selbststudium und jahrzehntelanger Erfahrung wissen die beiden genau, wie sie Reh und Wildschwein aufspüren: Sie folgen Pfotenabdrücken, abgebissenen Knospen, Bissspuren an Bäumen. Der Magdeburger Stadtpark, sagt der Rentner, eigne sich für die Suche nach Rehen besonders gut: „Hier sind die Tiere weniger scheu als im weitläufigen Wald.“

Doch egal ob Wald oder Park: Um ein Wildtier fotografieren zu können, brauchen die Hornemanns viel Geduld. Schritt für Schritt pirschen sie sich an, das dauert gern mal eine halbe Stunde. „Ich glaube ja, Winnetou muss mein Vorfahre gewesen sein“, witzelt der 74-Jährige.

Während der Pirscherei spricht das Paar kein Wort, nur Handzeichen sind erlaubt. Da sind die Wanderungen mit dem Harzklub deutlich kommunikativer. Hornemann: „Bei unseren Vereinstouren wird viel geschnattert.“ Zum Beispiel über Enkel, Ehrenämter oder den einstigen Beruf – sind doch die meisten Mitglieder Rentner. Das Gemeinschaftsgefühl, sagt er, sei in seinem Verein sehr ausgeprägt: „Viele fühlen sich hier wie in einer Familie.“

Wandern, sagt der Magdeburger, könne aber noch viel mehr bewirken: „Es ist ein ausgezeichneter Ausgleich bei Stress und allen Dingen, die einen sonst belasten. Man schaltet ab und wird ein Teil der Natur, weil man nur auf das achtet, was man sieht und hört.“ Als der studierte Staatswissenschaftler noch als Sozialarbeiter Demenzkranke betreute – ein Job, der ihn psychisch oft belastete –, habe er diese entspannende Wirkung ganz besonders geschätzt.

Heute hat Peter Hornemann zwar deutlich weniger Stress. Vom Wandern ist er deshalb aber keineswegs weniger fasziniert: „Wenn ich zum Beispiel hier im Stadtpark die Wiesen und Buschgruppen sehe, die Vögel zwitschern höre und dann noch ein Reh entdecke, habe ich immer so ein Wohlgefühl. Dann denke ich: Herrlich! Hier könnte ich bleiben.“

So richtig nachvollziehen kann diese Leidenschaft fürs Wandern wohl nur, wer es selbst ausprobiert hat – die Pflichtmärsche zu Schulzeiten mal außen vor gelassen. Am 14. Mai gibt‘s dazu deutschlandweit die Gelegenheit. Zum ersten Tag des Wanderns organisieren Vereine Touren, zu denen jedermann eingeladen ist.

Peter Hornemann ist an diesem Tag selbstverständlich auch in Aktion. Der Magdeburger Harzklub und der Landeswanderverband organisieren eine Tour in der Altmark (siehe Infokasten). Um die 100 Teilnehmer könnten zusammenkommen, schätzt der Rentner. Bestimmt sind auch einige der Vereins-ältesten dabei. Da kann man dann mal prüfen, ob die tatsächlich aussehen wie 70.