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Landespolitik Thomas Webel: "Wir sind die Alternative"

Nach 100 Tagen Kenia-Koalition steht für Thomas Webel fest: Die Haushaltsverhandlungen werden zur Nagelprobe für Schwarz-Rot-Grün.

Von Jens Schmidt 02.08.2016, 01:01

Herr Webel, trotz Sommerpause ist der Landtag nicht zur Ruhe gekommen. Ist Herr Güssau als Landtagspräsident noch tragbar?

Thomas Webel: Ich habe als CDU-Vorsitzender bereits Ende 2014 eine vollständige Aufklärung der Vorgänge angemahnt und dies jetzt erneut gefordert. Hardy Peter Güssau hat bereits zugesichert, sich gegenüber der Öffentlichkeit und in den Fraktionen zu erklären. Dies sollten wir jetzt alle abwarten und danach eine Bewertung vornehmen.

Bei der Wahl im Frühjahr hat die CDU viele Stimmen an die AfD verloren. Wie wollen Sie Ihre Wähler zurückholen?

Für gut 50 Prozent der abgewanderten Wähler war die Flüchtlingsproblematik entscheidend. Da ist eine deutliche Entspannung eingetreten. Ich glaube, dass dieses Thema bei einer nächsten Wahl nicht mehr so akute Auswirkungen hätte.

Alles wieder im Lot?

Nein, erledigt ist das Problem damit nicht. Wir werden uns thematisch mit der AfD auseinandersetzen und zeigen, dass ihre Leistung im Landtag gegen Null geht. Wir werden klar machen, dass wir weiter die Partei der Inneren Sicherheit sind, und dass wir auch die Kommunen mit im Boot haben. Trotz aller Verluste an die AfD: Wir haben im März insgesamt 11 000 Wähler mehr für uns mobilisiert als 2011. Das zeigt, dass viele uns vertrauen.

Die CDU ist nach links gerutscht. Wo müssen Sie korrigieren?

Das sehe ich nicht so. Wir müssen doch die Sorgen der Leute ernst nehmen. Sie wollen eine vernünftige Kinderbetreuung, ein gutes Bildungssystem...

…oder einen Mindestlohn - den die CDU lange abgelehnt hat.

Wenn wir in Land und Bund über 50 Prozent hätten, könnten wir die reine Lehre umsetzen. Aber so ist es nun mal nicht. Wir haben Koalitionen mit der SPD, jetzt auch mit den Grünen. Dabei müssen wir Kompromisse machen.

Haben Sie Ihren Lieblingspartner FDP bereits für immer abgeschrieben?

Nein. Programmatisch haben wir die meisten Übereinstimmungen. Ich habe daher überhaupt nicht verstanden, warum die Liberalen in Sachsen-Anhalt im Landtagswahlkampf vor allem die CDU bekämpft haben. Das war ein strategischer Fehler.

CDU und SPD regieren immer öfter zusammen. Ist das gut?

Das sollte die Ausnahme bleiben. Aber 2011 hätte in Sachsen-Anhalt Rot-Rot eine Mehrheit gehabt, daher war es richtig, dass wir die SPD überzeugt haben, mit uns zu regieren. Und 2016 meinten ja einige bei uns, wir sollten eine Minderheitsregierung wagen und uns von der AfD tolerieren lassen. Ich habe das immer abgelehnt. Von 1994 bis 2002 hatten wir solch ein Konstrukt auf der linken Seite: Davon hat sich die SPD bis heute nicht erholt.

Halten Sie eine Kooperation mit der AfD mittelfristig für denkbar?

Nein. Die AfD macht im Landtag ja nicht mal richtige Oppositionsarbeit. Sie ist mit sich selbst beschäftigt und dabei, ihren Partei- und Fraktionschef zu demontieren. Es gilt: Rechts neben der Union darf es keine demokratische Partei geben.

Warum nicht?

Weil wir die Alternative für all die Menschen sind, die keine linke Politik wollen. Zudem: Eine weitere demokratische Partei rechts neben uns würde die Union schwächen. Das sieht man ja auf der linken Seite: Die SPD ist vor allem im Osten schwach, weil es neben ihr eine recht starke Linke gibt.

Ist die Linke im Landtag die bessere Opposition?

Aufgrund ihrer Erfahrung ist sie das derzeit. Die AfD ist ein Ausfall.

Wenn es im Bund 2017 zu Schwarz-Grün käme - was halten Sie davon, zumal Sie ja auch Verkehrsminister sind.

In den Ländern gab und gibt es ja schon einige Koalitionen mit den Grünen. Dort lief und läuft das bisher ganz gut. Hier in Sachsen-Anhalt tragen die Grünen alle Entscheidungen zum Bundesverkehrswegeplan mit. Und finanzpolitisch stehen uns die Grünen näher als die SPD.

Ist Angela Merkel die richtige Kanzlerkandidatin?

Ja.

Die ersten 100 Tage Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt sind vorbei. Hält das Bündnis bis 2021?

Nach den sehr anstrengenden Koalitionsverhandlungen läuft es überraschend geräuschlos. Die Nagelprobe kommt, wenn wir in den nächsten Wochen den Doppelhaushalt 2017/18 auf den Weg bringen. Im Koalitionsvertrag stehen Dinge drin, die viel Geld kosten. Das ist der Preis einer Dreier-Konstellation. Aber wir müssen Abstriche machen, es lässt sich nicht alles bezahlen. Wenn es gelingt, den Haushalt unter Dach und Fach zu bringen, wird die Koalition auch weiter funktionieren.

Die CDU will an die Kita-Kosten heran. War die Rückkehr zum Ganztagsanspruch für alle 2011 falsch?

Grundsätzlich nicht. Die alte Regelung war zu hart; aber zehn Stunden Rechtsanspruch für alle ist übertrieben. Das bietet kein anderes Bundesland. Ich denke, alle Politiker sollten in sich gehen. Wir geben immer mehr Geld ins System, aber niemand ist zufrieden.

Ihr Vorschlag?

Zehn Stunden für die Kinder von Erwerbstätigen – für alle anderen acht Stunden.

Dann müssen die Kitas wieder den Status der Eltern erfassen?

Ja, das hat doch bis 2011 auch funktioniert.

Bundesfamilienministerin Schwesig hat ein Familiengeld vorgeschlagen: Eltern mit kleinen Kindern arbeiten verkürzt, dafür zahlt der Staat einen Ausgleich. Was halten Sie davon?

Alles, was hilft, damit wieder mehr Kinder geboren werden, ist gut. Die Politik muss da auch mal andere Wege ausprobieren. Derzeit geben wir in Deutschland jährlich 200 Milliarden Euro in 150 verschiedene Familien-Programme, aber den Stein der Weisen hat noch keiner gefunden.

Braucht Deutschland ein Einwanderungsgesetz?

Auf unserem letzten Bundesparteitag in Stuttgart haben wir einen entsprechenden Beschluss gefasst. Aber: Unsere demografischen Probleme müssen wir trotzdem schon selbst lösen. Mit einer gesteuerten Zuwanderung können wir den Fachkräftemangel zwar an manchen Stellen abmildern, Zuwanderung ist aber kein Allheilmittel.