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Landgericht Super-Prozess startet gegen Dieselgauner

Im Prozess wegen Steuerbetrugs mit selbstgemixten Diesel soll es mit 78 Millionen Euro um die bisher höchste Steuerschadenssumme gehen.

Von Matthias Fricke 21.09.2016, 01:01

Magdeburg l Noch bevor die drei Staatsanwälte die fast 400 Seiten Anklageschrift wegen gewerbs- und bandenmäßigen Steuerbetrugs am Magdeburger Landgericht verlesen konnten, hatten am Dienstag die 17 Anwälte der acht Angeklagten das Wort. Sie stellten über mehrere Stunden gut ein halbes Dutzend Anträge zum Aussetzen des Verfahrens – aus den verschiedensten Gründen. Zum einen wegen einer nach ihrer Meinung fehlerhaften Besetzung des Gerichts mit Ersatzrichtern und Hilfsschöffen. Andere wiederum monierten, dass sie nicht rechtzeitig alle Schriftstücke zum Ermittlungsverfahren einsehen konnten.

Dem Vorsitzenden Richter der vierten Wirtschafts-Strafkammer, Gerhard Köneke, blieb somit am Ende des Tages zunächst nichts anderes übrig, als alle Anträge protokollieren zu lassen und eine Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens auf den morgigen Donnerstag zu verschieben.

„Ob dann die Anklage verlesen werden kann, hängt davon ab, wie sich das Gericht zu den Anträgen positioniert“, erklärte Gerichtssprecher Christian Löffler. Insgesamt soll es um 5600 Fälle und einen Steuerschaden von 78 Millionen Euro gehen.

Das Gericht soll dabei vor allem die Fragen klären: Ist selbstgemixter Fahrzeug-Diesel oder nur Schmiermittel von einem Burger Gewerbegebiet aus ins Ausland verkauft worden? Während der Diesel steuerpflichtig gewesen wäre, sind das deklarierte Schmiermittel bzw. die Öle steuerfrei.

Die Angeklagten, eine Frau und sieben Männer aus Burg, im Alter von 27 bis 60 Jahren sollen zwischen 2012 und 2014 mit zwei Firmen auf einem Gelände in Burg bei Magdeburg Kraftstoff hergestellt haben. Dieser hatte laut Anklage nahezu Dieselqualität – und wurde als solcher auch verkauft. Zwei der Männer sitzen dazu seit mehr als einem halben Jahr in Untersuchungshaft. Im Falle einer Verurteilung müssten die Angeklagten mit Haftstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren rechnen.

Die Wirtschafts-Strafkammer geht von einem sehr langen Prozess aus und hat bereits 30 Termine bis Anfang 2017 anberaumt. Ein Ende des Verfahrens ist aber noch gar nicht absehbar. Ein Superlativ des Prozesses stellt außerdem nicht nur die Höhe der hinterzogenen Steuersumme dar. Auch die Kosten des Verfahrens könnten eine Rekordhöhe mit den 17 Anwälten und neun Dolmetschern erreichen. Unter den Beschuldigten sind auch ein Italiener, ein Pole und ein Türke. Da im Prozess ein einwandfreies Verständnis garantiert werden soll, mietete das Gericht dafür drei Sprecherkabinen zur Simultanübersetzung samt technischen Bedienungspersonal für die Dauer des Prozesses an. Insgesamt sollen Tausende Akten in mehr als 70 großen Umzugskartons ausgewertet werden.