1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Wenn Opa Gustav ein Apfelbäumchen wird

Bestattung Wenn Opa Gustav ein Apfelbäumchen wird

Eine etwas spezielle Form von Bestattung sorgt aktuell verwaltungstechnisch für Verwirrung. Oder ist es eine Pflanzung?

Von Dan Tebel 01.10.2016, 01:01

Schönebeck l Die Rede ist von "Tree of Life" (dt. Baum des Lebens). Die Asche des Verstorbenen geht dabei über in ein Pflanzsubstrat zur Baumpflanzung. Der Tote wird zur Asche, die Asche wird – im Ausland – zu Pflanz­erde, zurück zu Hause wächst aus der Erde dann ein Baum, der im heimischen Garten eingepflanzt werden kann. So lässt sich trickreich ein nach deutschem Recht bestehendes Bestattungsverbot auf dem eigenen Grundstück umgehen. Denn es besteht reichlich Interpretationsfreiraum, ob der Apfelbaum nur ein Apfelbaum ist oder ob ein bisschen auch der verblichene Opa Gustav in ihm rankt.

Besagter Freiraum ließ in dieser Woche die Schönebecker Stadtverwaltung auf einen Beitrag der Volksstimme-Lokalredaktion über Bestatter-Angebote reagieren. „Diese Bestattungsart ist in Sachsen-Anhalt unzulässig“, schreibt Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz über „Tree of Life“. Und verweist auf das Bestattungsgesetz des Landes. Demnach sind nur Feuer- und Erdbestattung erlaubt. Zudem gebe es eine Pflicht, den Verstorbenen in Sarg oder Urne auf einem Friedhof beizusetzen.

Aber gilt das auch, wenn die Asche des Verstorbenen im Ausland gewissermaßen umgetopft wird, wie das bei der „Tree of Life“-Bestattung üblich ist? Folgendes passiert: Nachdem der Verstorbene in Deutschland eingeäschert und die Trauermusik verklungen ist, wird die Urne in die Schweiz oder den Niederlande in eine spezielle Baumschule transportiert. Dort wird die Asche mit einem Baumsetzling in der Erde verpflanzt. Nach einigen Monaten kehrt der heranwachsende Opa-Gustav-Baum mitsamt den Beisetzungsdokumenten zu den Hinterbliebenen nach Deutschland zurück. Ist das rechtens? Ja, sagt das Sozialministerium auf Nachfrage.

In der Schweiz oder den Niederlanden gelte ein anderes Bestattungsrecht. „Zunächst ist der Transport der Urne ins Ausland rechtmäßig, wenn der Nachweis der Beisetzungsmöglichkeit dort erbracht ist“, sagt Ute Albersmann vom Sozialministerium. Die Art der Beisetzung kann sich von Deutschland unterscheiden. „Es gibt in den Niederlanden zum Beispiel keine Bestattungspflicht für Urnen“, so die Sprecherin. So könne dort „die Verwandlung der Asche in ein Symbol für den Verstorbenen“ erfolgen. Das „Symbol“ kann dann anschließend wieder auf Heimreise nach Deutschland gehen. Und auch die Einpflanzung des „Symboles“ im heimischen Garten sei grundsätzlich kein Problem – „wenn sich keine Asche in den Wurzeln des Baumes befindet“, so die Sprecherin. Denn die Asche eines Verstorbenen gehört, wie gesetzlich vorgeschrieben, in die Urne. Ute Albersmann versucht eine Erklärung: „Wenn der Baum im Ausland mitsamt der Asche regelmäßig gegossen wurde und die Asche auf natürliche Art im Boden versickert ist und somit also beim Transport nach Deutschland nicht mehr in den Wurzeln nachzuweisen ist, liegt kein Verstoß vor.“

Und kaum vorstellbar scheint, dass tatsächlich jemand nach Überresten vom angenommenen Opa Gustav im Apfelbäumchen-Wurzelwerk suchen würde. Ob es in der Vergangenheit schon vorgekommen ist, dass Asche-Reste im Wurzelballen gefunden wurden, weiß das Sozialministerium jedenfalls nicht. „Diese Untersuchung müsste durch die örtliche Behörde durchgeführt werden“, sagt Ute Albersmann.

Das wäre doch mal eine interessante Aufgabe. Vielleicht für die Stadtverwaltung von Schönebeck?