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Haushalt Die Kassentricks von „Kenia“

Die Landesregierung konnte ihren hochgepriesenen Haushaltsplan nur mit Buchungstricks ausgleichen. In Wahrheit droht ein Milliarden-Risiko.

Von Jens Schmidt 07.10.2016, 01:01

Magdeburg l Ende August klaffte in der Kassenplanung für 2017 und 2018 noch ein Loch von 800 Millionen Euro. Danach drehten die Minister einige Runden, um die Lücken zu schließen. Am Dienstag stellte Finanzminister André Schröder (CDU) das Zahlenwerk der Presse vor: Von einem ausgeglichenen Gestaltungshaushalt war die Rede.

Wurden auch Ausgaben gespart? Aufgaben gestrafft? Programme überprüft? Kaum. Der Volksstimme liegen jetzt die Beschlusspapiere aus der Kabinettsitzung am 4. Oktober vor. Wie sich herausstellt, ist das Loch in Wahrheit nicht einen Zentimeter kleiner geworden. Nur durch allerlei Buchungstricks wurden die Lücken verkleistert. Durch aufpolierte Einnahmen, den beherzten Griff in Rücklagenkassen und schwammige Einsparsummen. Die Übersicht.

Buchungstrick 1: Die Regierung beschließt höhere Einnahmen - obwohl diese durch die derzeit vorliegende Steuerschätzung nicht gedeckt sind. Das Finanzministerium meint, ein Plus von einer viertel Milliarde Euro sei seriös zu erwarten. Aber: Selbst, wenn mehr Geld kommen sollte, können die Landtagsabgeordneten (also die eigentlichen Entscheider) damit keine zusätzlichen Wünsche bezahlen, da Mehreinnahmen ja schon verplant sind. Und sollte weniger kommen, hat das Land ein Problem. Risiko für 2017/18: 250 Millionen Euro.

Buchungstrick 2: Die Regierung greift in die Rücklagenkasse. 190 Millionen Euro liegen drin - 168 Millionen Euro werden für die nächsten beiden Jahre herausgenommen. Die Sparbüchse ist quasi geplündert.

Buchungstrick 3: Die Regierung beschließt eine „globale Minderausgabe“. Diese wohlklingende Vokabel ist nichts anderes als eine Finanzlücke. Sie muss im laufenden Geschäft noch gedeckt werden. Allerdings weiß niemand, welcher Minister das bei welchem Posten erledigt. Finanzminister Schröder hatte dem Vernehmen nach den einzelnen Häusern schon Sparaufträge in die Bücher geschrieben - doch nach einem heftigen Protest flogen die wieder raus. 263 Millionen Euro Sachkosten und 128 Millionen Euro Personalausgaben müssen nun noch eingespart werden - irgendwie, irgendwo. Risiko: 391 Millionen Euro.

Buchungstrick 4: In den Pensionsfonds werden 54 Millionen Euro weniger überwiesen. Dieses Geld ist eigentlich dafür da, die aufs Land zukommenden milliardenschweren Pensionslasten älterer Beamter abzufedern.

Buchungstrick 5: Aus der Steuerschwankungsreserve werden nächstes Jahr 175 Millionen Euro herausgenommen. Obwohl die Steuern ja nicht schwanken, sondern ausweislich der Regierungsprognose (siehe Trick 1) ja noch stärker sprudeln als sie es ohnehin schon tun. Die Regierung begründet den Griff in die Kasse mit einem Rückgang beim Länderfinanzausgleich. Wenigstens sollen dann 2018 wieder 25 Millionen in die Reserve hineingelegt werden.

Landesrechnungshofpräsident Kay Barthel: „Ich wundere mich, wie die Regierung sich für diesen Entwurf noch loben kann. Das ist eine finanzpolitische Rolle rückwärts.“ Es fehle nicht mehr viel, und Sachsen-Anhalt reißt die Defizitgrenze: Dann streicht der Bund Konsolidierungshilfe von jährlich 80 Millionen Euro. „Wir stehen knapp vor der roten Linie.“

Die Linke findet es ja gut, dass die Regierung mehr Lehrer und Polizisten einstellt. Aber: Dauerhaft anfallende Personalkosten mit Rücklagen zu bezahlen, die man nur einmal hat? „Das ist gefährlich“ sagt Fraktionschef Swen Knöchel. Man hätte Programme besser durchforsten und mehr umschichten müssen. Auch die CDU schaut sorgenvoll auf den Kassenplan. „Da müssen wir noch Tacheles reden“, sagt ein Fraktionär.