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Kitas Genug Erzieher nur auf dem Papier

Erzieher und Eltern beklagen zu wenig Personal in Sachsen-Anhalts Kitas. Eine Gesetzesüberarbeitung könnte Abhilfe schaffen.

Von Elisa Sowieja 12.10.2016, 01:01

Magdeburg l Manuela Kiwatt ist nicht nur Kita-Leiterin, sondern auch Rechenkünstlerin. Seit Jahren, sagt die Chefin der Kindertagesstätte Käte Duncker in Burg, kalkuliert sie ständig aufs Neue, welche Erzieher sie aus welcher Gruppe herausnehmen kann, damit die Löcher in der Betreuung gleich verteilt sind. Theoretisch hat sie zwar so viel Personal, wie das Land vorgibt: 31 Teil- und Vollzeitkräfte für 198 Kinder, das entspricht dem Schlüssel von einem Betreuer für fünf Krippen- oder zwölf Kindergarten-Kinder (ab 3 Jahre). „In der Praxis fehlen mir aber im Schnitt täglich fünf Erzieher.“

So viele seien immer im Urlaub oder krank. Hinzukommt, dass von den vorgesehenen Stunden für die Kinder Zeit abgeht, in der Beobachtungen dokumentiert sowie Elterngespräche vorbereitet und geführt werden. Die Folge: „Eine Erzieherin ist auch mal zwei Wochen lang mit 24 Kindern allein.“ Die Arbeit mit den Kleinen würde darunter leiden. Außerdem steige der Krankenstand.

Laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist die Personaldecke nicht nur in Burg ein Problem. „Es treten immer wieder Erzieher an uns heran. Schließlich werden überall im Land keine Ausfallzeiten berücksichtigt“, sagt Frank Wolters. Denn dies ist im Kinderförderungsgesetz – kurz KiFöG – nicht vorgesehen. Er fordert: „Wir brauchen einen Netto-Personalschlüssel.“

Im Bundesschnitt ist das Erzieher-Kind-Verhältnis laut Bertelsmann-Stiftung besser als hierzulande: eins zu vier bei Krippen- und eins zu neun bei Kindergartenkindern. Die Stiftung findet einen Betreuer für drei Krippen- oder acht größere Kinder angemessen – so wie in Bremen und Baden-Württemberg.

In Sachsen-Anhalt könnte es 2017 eine Verbesserung geben. Das Sozialministerium unter Petra Grimm-Benne (SPD) teilt auf Anfrage mit, dass derzeit das KiFöG überarbeitet wird. In erster Linie will man das System verbessern, nach dem die Kommunen Kita-Kosten beim Land abrechnen, so dass diese nicht auf Kosten sitzenbleiben. Laut Koalitionsvertrag wird in diesem Zuge aber auch „eine Verbesserung der tatsächlichen Fachkraft-Kind-Relation in den Einrichtungen angestebt“, dafür wolle man Ausfallzeiten einberechnen.

Nach der Sommerpause 2017 soll das neue KiFöG zur Abstimmung in den Landtag gehen. Die GEW gibt sich optimistisch, dass es spürbare Besserung bringt. Die Landeselternvertretung ist skeptisch: „Schon bei der vergangenen Novellierung vor drei Jahren wurden viele Kompromisse gemacht“, sagt Tobias Ulbrich mit Blick auf die Koalition mit der CDU. „Ich befürchte, das Sozialministerium wird auch diesmal ausgebremst.“

Unabhängig vom Betreuungsschlüssel sieht die GEW ein weiteres Problem bei der Personaldecke: Ihren Berechnungen zufolge gehen in den nächsten zehn Jahren 6000 der 16 500 Erzieher im Land in Rente – also mehr als jeder dritte. Und die Ausbildung ist denkbar unattraktiv: Sie dauert fünf Jahre und ist unbezahlt. Das Land hat ein Modellprojekt gestartet, bei dem man bezahlt wird und früher fertig ist. Allerdings gibt es bisher erst vier Klassen mit je 25 Plätzen. Und die sind nicht einmal voll, da zu wenige Kita-Träger mitmachen.

Das Sozialministerium sagt, man erörtere zusammen mit dem Bildungsministerium, wie man Quereinsteigern eine berufsbegleitende Ausbildung ermöglichen kann. Laut GEW muss eine Lösung für das Nachwuchsproblem in den nächsten zwei Jahren her.