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Prüfbericht Leere Gerichtssäle, ratlose Experten

Der Präsident des Landesrechnungshofs, Kay Barthel (CDU), hat am Freitag den neuen Jahresbericht vorgestellt.

Von Michael Bock 22.10.2016, 01:01

Magdeburg l Der Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt hat die Arbeit der Landesregierung - und dabei insbesondere die Ausgaben - geprüft. Das sind Beispiele aus dem Prüfbericht:

Leere Gerichtssäle: Das Landgericht Halle hat nach der 15,7-Millionen-Euro-Sanierung 21 Gerichtssäle, vier davon werden für Mediationen genutzt. Zwölf Säle reichen, meint der Rechnungshof. Das Justizministerium sagt: So sollen Gerichtsverfahren beschleunigt werden. Die Prüfer kontern: Die Auslastung der Säle liegt bei maximal 65 Prozent. Die Planung sei weder sparsam noch wirtschaftlich.

Integrationshelfer als Hausverwalter: Das Land fördert die Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt – allein 2015 mit mehr als 1,1 Millionen Euro. Deren „Schaltzentrale“ ist das „einewelt haus Magdeburg“. Dort sind 14 Mitarbeiter beschäftigt. Die müssen sich teilweise um die Bewirtschaftung des Gebäudes kümmern. Laut Rechnungshof werden Integrationshelfer so zu partiellen Hausverwaltern. Die Prüfer werfen dem Sozialministerium fehlende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Erfolgskontrollen vor.

Fragwürdige Geschäfte bei Kita-Sanierung: Gravierende Verstöße bei der Vergabe und ein erhöhtes Korruptionsrisiko sehen die Prüfer bei der Sanierung von zwei Kitas im Harz und in Magdeburg aus den Jahren 2013 und 2014. Die Einrichtungen bekommen 4,5 Millionen Euro Fördergeld vom Sozialministerium für die Bauarbeiten. Doch bei der Vergabe wird vom Fördergeld-Empfänger erst verbotenerweise ein Gespräch mit einem Bieter geführt. Genau dieser Bieter wird dann mit der Sanierung beauftragt – obwohl er nicht auf dem ersten Rang der Angebotsliste liegt. Das Land sollte Geld zurückfordern, sagt der Rechnungshof. Das Sozialministerium erarbeitet jetzt Vergabe-Richtlinien.

Landeseichamt im Minus: Von der Fertigpackung im Handel über die Zapfsäule an der Tankstelle bis zur Haushaltswaage – alles muss geeicht werden. Was nach einer Goldgrube klingt, ist in Sachsen-Anhalt ein Minusgeschäft. Das Eichamt, seit 2002 Landesbetrieb, muss jährlich mit knapp einer Million Euro vom Land bezuschusst werden. Der Rechnungshof schlägt eine neue Kostenstruktur vor. Das Wirtschaftsministerium will künftig Zielvereinbarungen abschließen.

Steuerberater für die Steuerabteilung: Das Finanzministerium beauftragt 2013 einen Rechtsanwalt mit einer „umsatzsteuerlichen Prüfung“. Der Rechnungshof sagt: unnötig. Denn: Im Ministerium und in den Finanzämtern ist ausreichend Sachverstand vorhanden. Das Ministerium meint, diese Prüfung sei nicht Aufgabe der Steuerfachabteilung.

Juristischer Beistand für Juristen: Das Landgericht Magdeburg will einen Vertrag kündigen. Dafür gibt es für 9805,60 Euro ein Rechtsgutachten in Auftrag. Der Rechnungshof kann nicht nachvollziehen, dass im Geschäftsbereich des Justizministeriums kein eigener juristischer Sachverstand vorhanden sein sollte.

Gutachteritis: Der Rechnungshof sieht „erhebliche Mängel und Verstöße“ bei der Vergabe externer Beratungsleistungen, Studien und Gutachten. Geprüft wurden 360 Fälle (Volumen: 36,9 Millionen Euro). 259 Aufträge wurden freihändig vergeben; bei zwei Dritteln dieser Vergaben verzichtete die Verwaltung auf Vergleichsangebote. So wurden Aufträge von rund 14 Millionen Euro ohne Wettbewerb vergeben.

Die Prüfer sagen: In „erheblichem Maße“ wurde gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und gegen Vergabegrundsätze verstoßen.