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Landgerichtsurteil Freispruch 20 Jahre nach der Bluttat

Ein 58-jähriger Kosovare soll vor 20 Jahren in Magdeburg auf einen Landsmann eingestochen haben. Er wurde nun freigesprochen.

Von Matthias Fricke 22.11.2016, 00:01

Magdeburg l 20 Jahre lang hat sich der heute 58-jährige Vater von vier Kindern aus Priština vor dem Prozess gedrückt. Doch am Montag saß er nun auf der Anklagebank des Magdeburger Landgerichtes. Oberstaatsanwältin Martina Klein warf ihm versuchten Totschlag vor. Schon im März 1998 sollte ihm der Prozess gemacht werden. Doch er konnte rechtzeitig untertauchen, weil die Richter damals den Haftbefehl gegen ihn aussetzten. Angeblich wegen psychischer Probleme, die ein Gutachten aber so nicht mehr bestätigen konnte.

Als Polizisten ihn in Zürich am 7. Oktober dieses Jahres festnahmen, war die Tat auf einer Baustelle in der Magdeburger Friesenstraße nach 20 Jahren schon fast verjährt. Die Schweizer hielten den mit internationalen Haftbefehl gesuchten Mann zehn Tage lang fest und lieferten ihn schließlich nach Deutschland aus. Am 26. Oktober wurde der Haftbefehl gegen Kaution wieder außer Vollzug gesetzt.

Der zur Tatzeit 38-jährige Nikola G. war an jenem 12. November 1996 mit einem Landsmann aus dem ehemaligen Jugoslawien auf dem Innenhof eines in Sanierung befindlichen Mehrfamilienhauses in Streit geraten. Beide lebten in der damals größten Asylunterkunft der Stadt in Cracau (zeitweise mehr als 1000 Personen) und kannten sich daher gut. Sie verdienten sich auf der Baustelle für ein Mehrfamilienhaus ein paar Mark dazu. Als Schwarzarbeiter, wie später die Ermittlungen ergaben. Angeblich soll es auch um die Arbeit gegangen sein, als sich beide stritten. Erst gab es ein heftiges Wortgefecht, dann eine Schlägerei. Ein Zeuge erinnerte sich später: „Die haben sich auf dem Boden gerollt, wie junge Hunde.“

Doch die Auseinandersetzung entwickelte sich ernster. Angeblich nutzt das Opfer, Muharem N., erst Reizgasspray, dann schlug er mit einer Holzlatte zu. Nikola G. zog hingegen ein Messer aus der Tasche. Es hatte eine Klinge von 15 Zentimetern. Zweimal stach der Kosovare damit zu, traf Leber und andere wichtige Organe. Es schwebte laut Protokollen acht Tage lang in Lebensgefahr.

Die Behörden schoben den damals Verletzten später in sein Heimatland Mazedonien ab, dort konnte die Justiz das Opfer später nicht mehr ausfindig machen. Auch die Familie des Angeklagten wurde abgeschoben.

Der Angeklagte flog daraufhin nach Priština in den Kosovo und kehrte nicht mehr zurück. Der Prozess im März 1998 platzte daraufhin, bis die Schweizer ihn im Oktober 2016 festnahmen.

Zwar hat das Gericht am Montag mehrere Zeugen und Polizeibeamte gehört, ihre Aussagen wiesen aber aufgrund der erhebliche Zeitspanne Lücken auf. Dafür ließ sich der Angeklagte auf die Vorwürfe ein und schilderte das Geschehen als Notwehr.

Christian Löffler, Sprecher des Landgerichts am späten Abend: „Der Angeklagte wurde freigesprochen, weil das Gericht die Notwehr nicht ausschließen konnte.“ Bei diesem Zweifel musste das Gericht so urteilen.

Der vorerst ausgesetzte Haftbefehl wurde gänzlich aufgehoben und die Kaution zurückgezahlt. Für die erste Untersuchungshaft soll außerdem eine Entschädigung gezahlt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.