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Blogger Lieber viel Spaß als viel Geld

Immer mehr Menschen in Sachsen-Anhalt bloggen. Doch davon leben können nur wenige. Trotzdem ist der eigene Blog oft Sprungbrett zum Erfolg.

02.02.2017, 23:01

Magdeburg l Aurélie Bastian hatte den Erfolg nicht geplant. Die Foodbloggerin aus Halle, ursprünglich aus dem französischen Lothringen, hatte lediglich ab und zu Rezepte ihrer selbstgebackenen Kuchen auf ihrem Blog „Franzoesisch-kochen“ ins Netz gestellt. Mit der Zeit bemerkte sie eine große Nachfrage nach den französischen Rezepten. Sogar eine Firma fragte, ob sie nicht Kurse anbieten könne, wie man Macarons backt, französisches Baisergebäck.

Sie richtete eine Online-Anmeldung ein – nach fünf Minuten waren die Kurse komplett ausgebucht. „Da kamen Leute aus Wien und Amsterdam, nur um mit mir zu backen!“, erzählt sie ungläubig. „Das setzt einen erst mal unter Druck, den Erwartungen auch gerecht zu werden.“ Die Heil- und Sozialpädagogin erfüllte sie jedoch so gut, dass sie die Preise verdoppeln konnte – bei konstanter Nachfrage. Inzwischen ist sie TV-Köchin beim MDR, erfolgreiche Kochbuchautorin und führt einen Onlineshop für französische Lebensmittel. Von dem Ertrag kann sie gut leben – erwachsen ist das alles aus einem kleinen Blog, den sie weiterhin pflegt.

Allein mit Word-Press, einer Web-Software, entstanden im November 2016 etwa 70.000 Blogs. Das sind rund 40 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor. Immer mehr Menschen wollen ihre Erfahrungen im Netz teilen und wählen dafür eine Online-Plattform, die sie regelmäßig mit Inhalten füttern. Andere Menschen suchen dort wiederum Inspiration oder Tipps – häufig beispielsweise zu Mode, Beauty oder Kinderthemen.

Manche Medien wie der Radiosender Sputnik, arbeiten inzwischen mit Bloggern zusammen, da diese sich oft mit Trends auskennen. Doch was braucht ein Blogger, um Erfolg zu haben? „Ein Thema, für das er sich hundertprozentig interessiert, und eine spezifische Idee, die es noch nicht oder nicht oft gibt“, sagt Medienforscher Jan Pinseler von der Hochschule Magdeburg-Stendal. „Außerdem braucht ein Blog eine persönliche Note und man muss bereit sein, Zeit und Geld zu investieren.“

Das ist jedoch ein Risiko. Zwar gibt es Blogger, die davon leben können. Zum Beispiel Sebastian Canaves mit seinem zweisprachigen Reiseblog „Off-the-path.com“ oder Alexander Olma mit dem Technikblog „iPhoneBlog.de“. Allerdings sind sie die große Ausnahme. Zudem widmen sie ihrem Projekt mindestens so viel Zeit und Energie wie andere ihrem Vollzeitjob. Deshalb sagen viele Blogger bewusst: Mir geht es nicht ums Geld, das Ganze ist eine Herzensangelegenheit. So hält es auch Aurélie Bastian, die mit ihrem Blog über französische Küche keinen Gewinn erwirtschaftet – nur auf indirekte Weise, indem er manche Besucher zu ihrem Onlineshop führt. Ganz bewusst verzichtet sie auf Werbebanner. „Wer mit Werbung Geld verdient, rutscht im Ranking bei Google weiter nach unten, wird also schlechter gefunden“, erklärt sie.

Zudem sei Ehrlichkeit sehr wichtig. „Ich will nicht irgendwelche Firmen auf meiner Seite, nur wenn ich etwas wirklich gut finde, schreibe ich darüber.“

Für die 35-Jährige stehen andere Dinge im Mittelpunkt. Es sei die schönste Bestätigung, wenn Menschen ihre Rezepte erfolgreich ausprobierten. „Kürzlich hat eine Zwölfjährige für ihre Mutter meine Macarons nachgebacken und ein Bild davon gepostet“, erzählt sie begeistert. Wer je versucht hat, die exquisiten französischen Kekse selbst zu machen und möglicherweise an dem komplizierten Verfahren gescheitert ist, kann das nachvollziehen.

Medienforscher Jan Pinseler bestätigt: Der Reiz am Bloggen sei vor allem, sich anderen mitzuteilen und Kontakte zu Menschen mit ähnlichen Interessen zu knüpfen. Der Netzwerkgedanke steht auch bei dem Blog fielfalt.de im Mittelpunkt. Hier schreiben unterschiedliche Autoren zum Thema „Female Empowerment“ – es geht um starke Frauen, die etwas wagen, wie zum Beispiel eine berufliche Veränderung. Dahinter stehen die beiden Berliner Bloggerinnen Aimie Carstensen und Kira Seifert mit ihrem Team von 16 festen Autoren. „Ich war bereits mit Mitte zwanzig Führungskraft in einem Unternehmen, musste 30 Mitarbeiter anleiten – ungewohnt viel Verantwortung für eine junge Frau“, erzählt die 28-jährige Aimie Carstensen. Deshalb wollte sie ihre Erfahrungen mit anderen teilen, sich über das Thema austauschen – so entstand die Idee zum Blog.

Auch sie hat zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin überlegt, den Blog zum Vollzeitjob zu machen – und sich bewusst dagegen entschieden. „Wenn man das auf Wirtschaftlichkeit ausrichtet, verliert es seinen Zauber“, erklärt sie. Es schränke den eigenen Gestaltungsspielraum ein. „Lieber sehen wir es als Projekt nebenbei, das uns die Freiheit lässt, Aufträge abzulehnen, die wir nicht gut finden.“ Hauptberuflich betreibt Carstensen eine Onlineplattform für kreative Erlebnisse. Zwar verdienen die beiden mit dem Blog etwas Geld durch Werbung, Fanartikel und Beratungsaufträge. Zum Leben reiche das aber nicht. Auch wenn sich mit mehr Zeitaufwand mehr Geld damit verdienen ließe, möchten sie nicht darauf angewiesen sein. „Der Grundgedanke ist, dass wir damit etwas bewegen wollen“, so Carstensen.

Wer sich die Leidenschaft an den Sache bewahren will, kann es nicht allen recht machen. Das gehe sowieso nicht, sagt Foodbloggerin Aurélie Bastian. „Ich habe aufgehört zu überlegen, was andere von mir denken.“ Sie analysiert ihre Beiträge auch nicht großartig, das schade der Natürlichkeit. „Du bist du“, sagt sie. Und schreibt als französische Muttersprachlerin schon mal versehentlich, ihre Leser sollen die „Butter aufs Brot streicheln.“ Doch genau diese Kleinigkeiten machen sie authentisch.

Auch wenn ihr Blog eher Hobby ist, investieren die Bloggerinnen viel Arbeit. Aimie Carstensen arbeitet circa acht Stunden pro Woche daran, wegen ihres Vollzeitjobs meist abends oder am Wochenende. Aurelie Bastian schreibt etwa drei Beiträge pro Woche, für die sie je fünf bis sechs Stunden benötigt. All ihre Aktivitäten in eine 40-Stunden-Woche zu packen, klappt selten. Vor Weihnachten kam sie sogar auf eine 94-Stunden-Woche.

Die digitale Welt zu erobern ist also kein Zuckerschlecken. Der Meinung ist auch Medienforscher Jan Pinseler. Er glaubt nicht, dass sich bloggen als Beruf etablieren wird. „Meiner Meinung nach wird es weiterhin nur einige wenige geben, die davon tatsächlich leben können“, erläutert er. „Beim Bloggen sollte es vor allem um Spaß gehen. Das Ganze zum Business zu machen, geht oft mit Selbstausbeutung einher.“