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Haushalt Sachsen-Anhalt plündert Rücklagen

Mehr Geld für Gemeinden, Lehrer, Polizisten: Die Empfänger freuen sich, Finanzer machen sich Sorgen. Auch Rücklagen werden geplündert.

Von Jens Schmidt 04.03.2017, 00:01

Magdeburg l Die Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen nennt den Doppelhaushalt einen Gestaltungshaushalt - die Zeit des eisernen Sparens ist vorbei.

Um alle Wünsche zu finanzieren, wurde eine sogenannte „Globale Minderausgabe" beschlossen. Dieses Fachchinesisch bedeutet nichts anderes als eine Finanzlücke - die im Laufe der beiden Jahre noch geschlossen werden muss. Irgendwie, irgendwo. Finanzminister und Fraktionen hätten gern gleich festgelegt, welches Ressort notfalls Ausgaben senken muss, doch das war auf massiven Minister-Widerstand gestoßen. Da der Etat erst spät beschlossen wurde, wird 2017 sicherlich nicht jedes Projekt starten, so dass am Jahresende tatsächlich weniger als geplant ausgegeben werden muss. Aber 2018 dürfte das schon ganz anders aussehen. Zumal allein durch den Tarifabschluss nächstes Jahr mindestens 42 Millionen Euro mehr Salär für die Landesbediensteten anfällt.

Das Land hat Rücklagenkassen für schlechte Zeiten. Doch obwohl die Steuern sprudeln, greift die Koalition beherzt zu. Zwar verliert das Land durch einen Sondereffekt dieses Jahr 200 Millionen Euro aus dem Länderfinanzausgleich, es nimmt sich aber in den nächsten beiden Jahren 630 Millionen Euro aus der Sparbüchse. Warum? Weil das Land mit noch höheren Steuereinnahmen gerechnet hatte, als ohnehin schon kommen. Ende 2018 sind die Rücklagenkassen fast leer. Die Regierung setzt darauf, dass die Steuereinnahmen deutlich stärker steigen als zuletzt prognostiziert, so dass ab 2019 die Mehrausgaben trotz geleerter Sparbüchse geschultert werden können.

„Ob wir neue Rücklagen bilden können, ist ungewiss", sagt Finanzminister André Schröder (CDU). Bislang galt die Regel, dass 800 Millionen Euro Rücklagen angesammelt werden, weil man mit dieser Reserve durch eine Krise kommt, ohne neue Kredite  aufzunehmen. Nun: 799 Millionen Euro liegen derzeit drin, Ende 2018 aber werden es voraussichtlich nur noch 169 Millionen Euro sein. Die kalkulierte Finanzlücke und der Griff in die Rücklagen summieren sich auf gut eine Milliarde Euro. Das heißt: Die Ausgabenwünsche übersteigen die realen Einnahmen.

Das Land tilgt jährlich 100 Millionen Euro Altschulden. Die Regierung spricht von einer Rekordsumme. Nur: Geplant war eigentlich eine jährlich wachsende Tilgungsrate bis auf 200 Millionen Euro. Davon hat sich die Koalition verabschiedet. Bei dem neuen „Rekord"-Tempo braucht das Land 200 Jahre, um seine Kredite von über 20 Milliarden Euro zurückzubezahlen.

Die Opposition monierte überbordende Ausgaben. Die Linke hält etwa ein Soziales Innovationszentrum mit 24 neuen Stellen bei der Investitionsbank für rausgeworfenes Geld. Auch die 100 Millionen Euro fürs Luther-Jubiläum seien zu viel. Die AfD fordert in der Asylpolitik „eine Wende um 180 Grad". Von den 614 Millionen Euro Asylkosten könnten 70 Millionen Euro umgeschichtet werden, wenn die 4300 Ausreisepflichtigen sowie alleinreisende Kinder schneller nach Hause geschickt würden.