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Kontrolle Wie der Zoll auf der A2 fischt

Eine Magdeburger Kontrolleinheit vom Zoll ist täglich auch auf der A2 unterwegs, um Steuersünder zu fassen. Die Volksstimme begleitet sie.

13.03.2017, 23:01

Magdeburg l Einsatzleiter André Junghans gibt für die Großkontrolle auf der Autobahn 2 den etwa 15 Mitarbeitern die letzten Anweisungen: „Wenn ihr Busse habt, solltet ihr uns das vorher aber über Funk anmelden.“ Dann rückt der Konvoi zum Parkplatz Krähenberge zwischen Burg und Magdeburg aus.

Die Teams der beiden Mercedes Vitos nehmen am Kontrollpunkt ihren Platz ein. Sie sind ausgerüstet mit zwei mobilen Arbeitsplätzen. Die fünf weiteren Blaulicht-Fahrzeuge agieren als „Schlepper“ und schwimmen in Fahrtrichtung Hannover im Verkehr mit, um nach potenziellen Steuersündern zu suchen.

Zu einem dieser „Schlepper“-Teams gehören Hanka Tege und Dirk Waldheim. Die beiden Zöllner haben einen polnischen Pkw im Visier. Sie setzen sich mit dem eingeschalteten Signal vor ihn. Auf der Brücke zwischen den Blaulichtern erscheint abwechselnd in roter Schrift „Zoll, Folgen – Customs, Follow Me“.

So „schleppen“ sie das Fahrzeug zur Kontrollstelle, an der André Junghans und seine Kollegen bereits warten. Zollamtsinspektor Udo Mädler: „Zollkontrolle, Ihre Papiere bitte.“ Die Verständigung ist schlecht, doch zur Kontrolleinheit gehört auch ein Kollege, der ein wenig polnisch spricht. So wird schnell klar, dass der Autofahrer nur kurz in Deutschland bleiben möchte.

Auf die Frage nach Zigaretten oder Alkohol sagt der Mann: „400 Zigaretten“ habe er dabei. Eigentlich ist das noch kein Problem, da Polen zur EU zählt und die Richtmenge hier bei 800 Zigaretten liegt. Ist die Zahl höher, besteht bereits der Verdacht des gewerbsmäßigen Handels. Für die Nicht-EU-Staaten liegt die Grenze bei 200 Zigaretten und einem Liter Alkohol.

Die Beamten wollen sich das Auto dennoch näher ansehen und lassen den Mann den Kofferraum öffnen. Neben einem Sack Äpfel und Kartoffeln kommen mehrere Stangen Zigaretten zum Vorschein. Am Ende sind es 2000 Stück. Für den Polen kommt es nun ganz dick: Es besteht der Verdacht des gewerbsmäßigen Handels. „Wir leiten jetzt ein Steuerstrafverfahren ein. Die Zigaretten werden sichergestellt und später im Müllheizkraftwerk Rothensee verbrannt“, erklärt Einsatzleiter Junghans.

Der Pole muss nun 315 Euro bezahlen, doch die Summe wird noch nicht sofort vollstreckbar. Erst wenn er die Summe später nicht einzahlt, kommt er in die Steuersünderdatenbank „Bengali“. Die Abkürzung steht für Bundeseinheitliche Grenzausschreibungsliste (Vollstreckung). Die Datenbank ist für den Zoll das wichtigste Instrument zur Vollstreckung von Schulden durch ausländische Unternehmen oder Personen. Insgesamt sollen darin rund zwei Milliarden Euro offene Vollstreckungsforderungen registriert sein.

Der erste kleine Fisch passt ins Schema. „Wir haben bei unseren Kontrollen festgestellt, dass in Fahrtrichtung Osten eher Waffen oder Rauschgift geschmuggelt werden, während in Richtung Westen geschmuggelte Zigaretten und Alkohol eher ein Thema sind“, sagt der Einsatzleiter.

Ein Schlepper bringt gerade einen Linienbus aus Lettland auf den Parkplatz. Sein Ziel ist Bonn. Die Passagiere blicken geduldig aus den Panoramascheiben nach draußen und beobachten die Zollkontrolleure.

Doch zunächst muss nur der Fahrer seine Papiere vorzeigen, während Junghans mit weiteren Kollegen sich im Gepäckraum umsieht. „Wir hatten bei Linienbussen in letzter Zeit kaum Beanstandungen“, sagt der Einsatzleiter. Die Letten dürfen ihre Fahrt zügig fortsetzen.

An der Kontrollstelle herrscht inzwischen rege Betriebsamkeit. Hanka Tege und Dirk Waldheim holen eine Absaugvorrichtung aus dem mobilen Kontrollbüro, um den Tank eines Transporters aus Polen zu kontrollieren. „Wir sehen nach, ob hier nicht eventuell das steuerlich günstigere Heizöl statt Diesel verwendet wird“, erklärt Waldheim. Zu einem kleinen Reagenzglas mischen die Zollbeamten eine Testflüssigkeit, die eine Reaktion mit dem beigefügten Markierungsstoff von Heizöl auslösen soll. Doch der Diesel bleibt in diesem Fall gelblich-weiß und färbt sich nicht rot.

Waldheim: „Normalerweise ist in Deutschland Heizöl zur Unterscheidung generell immer rot eingefärbt. Doch es gab schon Fälle, in denen dieses wieder entfärbt wurde, um es als billigen Kraftstoff zu verwenden“, erklärt der Zollbeamte. Jährlich schnappen die Kontrolleure 40 bis 50 solcher Dieselpanscher und lassen rund 15.000 Liter nachversteuern. Dem Fiskus bringt das mehrere tausend Euro ein.

Die fünf Schleppfahrzeuge sind inzwischen wieder auf der Autobahn und halten nach möglichen Kandidaten für die Kontrollen Ausschau. Doch nach welchen Kriterien wird ausgewählt? „Das hängt sehr stark von unseren Erfahrungswerten ab. Und auch ein wenig Bauchgefühl gehört dazu“, sagt André Junghans. Solche konzentrierte Aktion wie jetzt werde deshalb auch nur ein- bis zweimal im Monat geführt. Normalerweise seien die Kontrollfahrzeuge im Alltag in kleineren Teams unterwegs, um bei Stichproben auch große Fische aus dem Verkehr zu ziehen. So haben die Kontrolleure im Oktober vergangenen Jahres einen polnischen Mercedes Vito aus dem Verkehr gezogen, der 600.000 geschmuggelte Zigaretten an Bord hatte. Der Fahrer wurde vorläufig festgenommen, wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Die Forderung: 93.000 Euro mussten nachgezahlt werden. Die Staatsanwaltschaft verzichtete in diesem Fall auf einen Haftbefehl, weil der Mann eine ladungsfähige Adresse in Polen besaß.

Solche dicken Fische gehen den Zollkontrolleuren aber nur selten ins Netz. Den Rekord hält ein gestoppter Lkw-Fahrer, bei dem 4,8 Millionen unverzollte Zigaretten gefunden wurden. Der Steuerschaden belief sich auf fast eine Million Euro. Gegen den Mann war damals Haftbefehl erlassen worden. Inzwischen fährt ein weiteres Schleppfahrzeug auf den Parkplatz, doch ein Lexus aus Märkisch-Oderland folgt dem Wagen nicht. Der Fahrer gibt Gas. Sofort nehmen zwei Zollfahrzeuge mit Blaulicht die Verfolgung auf. Zwei Abfahrten weiter können die Beamten den Wagen stoppen. Am Steuer sitzt ein Mann mittleren Alters. Warum er plötzlich weiterfuhr, bleibt unklar. Bei der Kontrolle finden die Zollbeamten nichts. Dennoch wird ein Verwarngeld von 55 Euro wegen Missachtens des Haltesignals fällig.

Indes wird es an einem Kleinbus aus der Ukraine unübersichtlich. Acht junge Frauen und Männer werden kontrolliert. Bei einem von ihnen finden sie drei Liter Wodka. Eingeführt werden darf aber nur ein Liter aus dem Nicht-EU-Land. Der Ukrainer muss gleich vor Ort 15 Euro nachzahlen.

Am Ende des Einsatzes steht fest: Nur kleine Fische gingen dem Zoll ins Netz. Insgesamt konnten aber 4000 geschmuggelte Zigaretten sichergestellt werden. Bei der Kontrolle eines Polen konnten 200 Euro Steuerschuld beigetrieben werden. Er stand mit 700 Euro in der Bengali-Datenbank beim Fiskus in der Kreide.