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Weisser Ring Opfer brauchen jemanden, der zuhört

Der stellvertretende Landesvorsitzende des Weissen Rings hofft auf mehr Würdigung von offizieller Seite und zusätzliche Psychotherapeuten.

Von Andreas Satzke 22.03.2017, 00:01

Barleben l Anlässlich des Tages der Kriminalitätsopfer macht der Weisse Ring Sachsen-Anhalt auf die Bedürfnisse von Opfern aufmerksam.

Insgesamt sind in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr 30 000 Menschen Opfer einer Straftat geworden, darunter 2633 Jugendliche und 2565 Kinder.

Dazu passt ein Fall, von dem Dieter Montag, stellvertretender Landesvorsitzender des Weissen Rings, erzählt. „Eine Mutter, die das Handy ihrer 14-jährigen Tochter an sich genommen hatte, rief uns an“, erinnert sich Montag. Auf dem Handy kam die Nachricht eines Mannes an, der das Senden weiterer Nacktfotos forderte, ein Oben-Ohne-Bild hatte die Tochter zu diesem Zeitpunkt bereits verschickt.

„Wir sind dann direkt zur Mutter gefahren, haben mit ihr gesprochen und die Polizei eingeschaltet“ berichtet Montag, der bereits seit 1999 im Weissen Ring aktiv ist. Es sei eine Frage von Stunden gewesen, bis der Täter ermittelt wurde. „Die Polizisten fanden dann heraus, dass dieser noch mit weiteren Minderjährigen in Kontakt war“, erinnert sich Montag.

Neben dem Zuhören bei den Opfergeschichten helfen die Mitarbeiter auch dabei, die nächsten Schritte einzuleiten. Das Opfer wird bei der Suche nach einem Anwalt auch finanziell unterstützt und vor Gericht begleitet. „Im Landgericht Magdeburg gibt es einen sogenannten Opferraum, das ist keine Selbstverständlichkeit“, lobt Montag. Darin kann das Opfer auf die Verhandlung warten und muss sich vorab nicht der Öffentlichkeit aussetzen.

Bis es allerdings zu den Prozessen kommt, vergehen manchmal Monate. „Oft fehlt dann der Blick für die Bedürfnisse der Opfer in dieser Zeit“, bemängelt Dieter Montag. Die Zusammenarbeit zwischen Anwälten, Richtern und Behörden könne besser sein. Auch die psychologische Betreuung der Patienten müsse besser werden. Die Wartezeiten, gerade im ländlichen Raum, seien für akute Fälle deutlich zu lang, weil es zu wenig Psychotherapeuten gebe, die dafür geeignet seien.

Laut Montag wagen derzeit noch zu wenige Opfer den Schritt, den Weissen Ring zu kontaktieren. „Meist aus Scham melden sich Menschen nicht bei uns oder weil sie sich nicht sicher sind, ob sie als Opfer in Frage kommen“, erklärt er. Jede Anfrage wird anonym behandelt, ob Opfer sexueller Übergriffe, von Mobbing, Einbrüchen oder Stalking. Meistens ist ein Treffen innerhalb eines Tages möglich. „Viele Opfer brauchen zunächst einfach nur jemanden, der ihnen zuhört“, sagt Montag

Für die Zukunft wünscht er sich „mehr Anerkennung für unser Engagement und das Ehrenamt von offizieller Seite.“ Zur Verstärkung sucht der Weisse Ring zusätzliche Mitarbeiter. Wer Interesse hat, kann sich bei Dieter Montag unter der Telefonnummer (03 92 03) 6 10 41 melden.

Interessenten werden dann einige Male zu Opferfällen mitgenommen. „Erst dann können sie entscheiden, ob sie mit dieser Aufgabe umgehen können“, sagt Montag. Denn auch an den Mitarbeitern gehen die Fälle nicht spurlos vorbei. „Wir bieten unseren Helfern regelmäßig psychologische Hilfe an“, sagt Montag. Finanziert werden die Opferhilfen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Hinterlassenschaften ehemaliger Opfer, die vom Weissen Ring betreut wurden.