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Kirchentag 120.000 Besucher in Wittenberg

Die Erwartungen beim Evangelischen Kirchentag in Wittenberg übertroffen. 120.000 Menschen kamen zum Festgottesdienst.

28.05.2017, 13:26

Wittenberg (dpa) l 500 Jahre Reformation da feiern, wo sie begann? In Wittenberg, einer Kleinstadt, mitten auf einer Wiese an der Elbe? Es gab viele Zweifler – nun hat sich gezeigt, dass es logistisch funktioniert – mit viel Aufwand und Menschen, die vieles auf sich nehmen. Zum Festwochenende kamen laut evangelischer Kirche rund 120 000 Menschen. Sie feierten trotz tropischer Hitze und mit Blick auf die Silhouette der Stadt, wie sie auch Martin Luther (1483-1546) vor 500 Jahren sah.

Viele Familien nahmen die Anreise zum ökumenischen Abschlussgottesdienst des 36. Evangelischen Kirchentages auf sich – nach Wittenberg, in eine Region mit den wenigsten Christen in ganz Deutschland. Etwa die Hälfte reiste mit Sonderzügen aus Städten wie Berlin, Leipzig und Magdeburg an, andere kamen mit einem der 500 Busse oder mit Autos und Fahrrädern. Einige erreichten das Festgelände über eine eigens für diesen Tag errichtete Pontonbrücke über die Elbe.

Wegen der Hitze gab es für die Helfer der Johanniter Hunderte Einsätze. Lauftrupps versorgten Betroffene teilweise direkt auf der fast schattenlosen Wiese. "Wann erlebt man so einen Kirchentag schon mal", freute sich eine Besucherin aus Mainz.

"Die Musik ist nicht immer meine, aber hier ist es besser als auf einem Rockkonzert", schilderte ein junger Mann aus Berlin seine Eindrücke. Als "groß, bunt und lebendig" empfand Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Fest. "Das, was Kirchentag ist, ist etwas Besonderes", eine "tolle" Gemeinschaft der Hoffenden und Glaubenden aller Konfessionen und Menschen ohne Glauben. "Das war eine gute Erfahrung, herrliche Tage in Berlin und Wittenberg, lassen wir uns davon tragen".

Der gemeinsame Kirchentag begann am Mittwoch in Berlin. Der Bundespräsident räumte zugleich ein, dass die vor 500 Jahren eingeleitete Trennung der Konfessionen durch die Reformation auch Hass und Elend mitgebracht hat.

Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) dankte allen Helfern, die "uns als kleinste Großstadt der Welt" die Reformationsfeier ermöglichten. "Wir sind sehr, sehr glücklich und froh und sehr, sehr dankbar". Die Luther-Botschafterin der EKD, Margot Käßmann, betonte die Symbolkraft des Jubiläums – "ökumenisch und international".

Beim Festgottesdienst am Mittag mahnte Erzbischof Thabo Makgoba aus Südafrika unter dem Beifall der Teilnehmer zu mehr Mitmenschlichkeit und Engagement gegen Extremismus, Nationalismus und Isolation. An die Jugend richtete er den Appell: "Hört die Schreie der Anderen und unseres Planeten".

Auf riesigen Leinwänden verfolgten Besucher auf Picknickdecken, mit Schirmen zum Schutz vor der stechenden Sonne die fast zweistündige Zeremonie. Allein rund 6000 Musiker leisteten Schwerstarbeit. Sie mussten schon während des rund einstündigen Fußmarsches zum Festgelände ihre Instrumente schleppen, selbst die schwere Tuba, wie die Hamburger Musiker berichteten.

"Das ist eine Zumutung", stöhnte ein 70 Jahre alter Wittenberger.  Der äußerlich vitale Rentner war von der Innenstadt aus über staubige Schotterwege zum Festgelände gelaufen. Zwar sei die Ausschilderung gut, aber die Entfernungen selbst über die schwimmende Brücke der Bundeswehr über die Elbe zu lang, für Ältere kaum zu bewerkstelligen. Da konnten auch die vielen jungen Helfer, die wie Navigationsgeräte teilweise mit humorigen Bemerkungen die Massen leiteten, nichts dran ändern. Dennoch hatten Besucher ihren Humor nicht verloren. "Ja, die Wege sind schon weit. Aber wir müssen ja auch Buße tun", scherzte eine 77-Jährige.

Zehn Jahre lang wurde das Top-Ereignis "500 Jahre Reformation" vorbereitet – in Erinnerung an den Thesenanschlag Luthers 1517 an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. Die Kosten allein für das Wittenberger Festwochenende wurden mit rund acht Millionen Euro beziffert. Tausende Sicherheitskräfte waren im Einsatz. "Das ist sehr beruhigend", sagte eine 79-Jährige aus Leipzig. "Wir werden zeitlebens davon sprechen", schwärmte der gläubige Katholik und Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff (CDU).