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Schau in Magdeburg Freiheitssignal aus Polen

„Lernt Polnisch“ heißt eine Ausstellung in der Magdeburger Stasiunterlagen-Behörde. Sie läuft bis Ende August.

Von Steffen Honig 07.08.2017, 01:01

Magdeburg l Wer den Freiheitsgeist verstehen will, der sich bei den heutigen Demonstrationen in Polen gegen die Warschauer Regierung zeigt, landet automatisch bei „Solidarnosc“. Die erste unabhängige Gewerkschaft des Ostblocks war Ergebnis des legendären Streiks der Danziger Werftarbeiter 1980. Streikführer war der spätere Präsident Lech Walesa. Der Ausstand, der auf ganz Polen übergriff, wurde zu einem Aufstand gegen die Kommunistische Partei und ihre Regierung.

Wie die Ausstellung in Magdeburg zeigt, wurden die Ereignisse in der DDR mit großer Spannung verfolgt. Sowohl von der SED-Führung als auch von der Bevölkerung. Die Parteispitze fürchtete, dass die Unruhen auf das eigene Land übergreifen könnten, und mobilisierte die Staatssicherheit. Die sollte Sympathiebekundungen im Keim ersticken.

Das gelang nicht immer, beweist die Schau: Die Stasi entdeckte immer wieder Losungen wie „Es lebe der polnische Freiheitskampf“, „Freiheit für Polen. Walesa freilassen“ oder „Macht es wie die Polen“. Der Thüringer Bürgerrechtler Thomas Kretschmer brachte seine auf ein großes, rotes Tuch: „Lernt Polnisch“.

Zum Hintergrund der so betitelten Ausstellung erläutert Dagmar Hovestädt, Sprecherin des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen in Berlin: „Diese Idee kam vom Bundesbeauftragten Roland Jahn. Wir suchen ständig nach Themen, die für die Allgemeinheit interessant sein können.“ Dass passiere in enger Kooperation mit den zwölf Außenstellen in den ostdeutschen Ländern. In Magdeburg sind daher die zentralen Elemente auch um regionale Dokumente ergänzt worden.

Als in Polen am 13. Dezember 1981 der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, löste die Stasi im Bezirk Magdeburg die Maßnahme „Reaktion“ aus. Es wurde etwa angewiesen, alle polnischen Werktätigen im Bezirk zu erfassen und auf ihre ideologische Zuverlässigkeit hin abzuklopfen. Das betraf 376 Personen mit ständigem Wohnsitz und 269 mit „dienstlichem Aufenthalt“. Getreulich erfüllte das MfS seine Aufgaben, hatte seinen Anteil daran, dass die polnischen Verhältnisse zunächst an den östlichen Grenzen gestoppt wurden.

Andererseits hatten viele DDR-Bürger ihre Vorurteile gegenüber den polnischen Nachbarn, die nur mal „richtig arbeiten“ sollten. Solche Meinungsäußerungen gab die Staatssicherheit erfreut nach oben weiter.

Die Polen gaben trotz des Kriegszustandes den Widerstand nicht auf – bis 1989 dort die erste Regierung des Ostblocks gebildet wurde, die nicht unter kommunistischer Führung stand. Die Wende in der DDR folgte.

Diese Entwicklung fasziniert bis heute und weltweit: „Wir haben viel Neues gelernt und sind dankbar, dass dieses System zu Ende ist. Lang lebe die Freiheit“, steht im Gästebuch der Magdeburger Ausstellung. Der Eintrag stammt von einer Familie aus Atltanta, Georgia, USA.