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30-Jähriger Krieg Lützen lockt die Schweden

Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg. Zur Schlacht aller Schlachten kam es bei Lützen (Burgenlandkreis), was unvergessen bleibt.

Von Jens Schmidt 28.07.2018, 01:01

Lützen l Fragt man in Sachsen-Anhalt jemand nach Lützen, dürften die meisten erstmal googeln oder auf die Landkarte schauen. In Schweden ist das anders. Der Ort hat sich in die schwedische Geschichte und ins Bewusstsein der Nordländer eingebrannt. Jedes Jahr pilgern bis zu 1000 schwedische Touristen nach Lützen. Auf dem Weg in den Sommerurlaub nach Süden machen Urlauber aus Stockholm, Göteborg oder Malmö Halt in der kleinen Stadt in Sachsen-Anhalt. Sie liegt an der Urlauber-Piste A 9, zwischen Weißenfels und Halle. In den 90er Jahren kam sogar die Königsfamilie.

Hier bei Lützen starb Schwedenkönig Gustav II. Adolf (1594-1632). Bei der größten Schlacht im Dreißigjährigen Krieg, Ende 1632, fiel er von Kugeln getroffen vom Pferd. Der König hatte das größte protestantische Heer geführt. 19.000 Soldaten. Ihm steht entgegen die katholisch-kaiserliche Seite - mit ihrem berühmten Feldherrn Wallenstein. 16.000 Soldaten. Ein Kampf der Giganten.

1632. Der Schwedenkönig zieht in Richtung Bayern, will Wallenstein am liebsten in dessen Lager in Nürnberg vernichten. Doch das misslingt. Wallenstein kreist die Schweden ein. In Gustav Adolfs Heer brechen Hunger und Seuchen aus, er verliert Tausende Soldaten und Pferde. Da der Winter vor der Tür steht, zieht Wallenstein ab. Seine Truppen marschieren ins Reichsinnere, um bei Leipzig ein Winterquartier aufzuschlagen. Gustav Adolf verfolgt ihn. Getrieben von Ehrgeiz und Revanche. Die Schmach von Nürnberg sitzt tief, es ist seine erste große Niederlage gewesen.

Bisher hat der Schwedenkönig immer nur gesiegt. Noch im Frühjahr 1632 hat er den gefürchteten Tilly geschlagen und schwer verwundet – jenen General, der ein Jahr zuvor Magdeburg dem Erdboden gleichgemacht hatte. Würde der Schwedenkönig noch Wallenstein ausschalten, wäre die katholisch-kaiserliche Truppe erledigt. So angestachelt sucht der Schwede die Entscheidung, er will die Schlacht aller Schlachten.

Auf der Via Regia, der großen Handelsstraße im Reich, kommen die Soldaten gut voran. Bei Lützen treffen sie sich. Es ist das erste Mal, dass sich die beiden großen Rivalen auf offenem Feld gegenüberstehen. Obwohl es bereits November ist, das Feld nass und morastig, schlagen die beiden zu.

Die Schlacht wogt hin und her. Kaum Geländegewinne. Viel Blut. Tausende Tote. Der Schwedenkönig mit dabei im Gefecht. Kugeln pfeifen durch die Luft. Eine trifft. Zerschmettert den Oberarm. Soldaten wollen den König aus der Linie ziehen, geraten im Nebel aber zu nahe an feindliche Truppen. Ein kaiserlicher Kürassier schießt Gustav Adolf in den Rücken. Aus nächster Nähe. Ein königlicher Leibgardist erschießt den Kürassier. Kaiserliche Soldaten stechen auf den am Boden liegenden König mehrfach ein.

Die Heere kämpfen weiter. Am Ende des Gemetzels sind 9000 Menschen tot. Wallenstein zieht ab. Die Schweden wähnen sich als Sieger. Tatsächlich aber ist es ein Patt. Denn gewonnen haben sie eigentlich nichts. In Lützen gibt es nicht viel zu holen. Und das katholisch-kaiserliche Heer ist nicht vernichtet worden. Wallenstein lebt. Der schwedische Feldherr aber ist tot.

Am Abend nach der Schlacht finden Soldaten den toten Schwedenkönig. Nur noch mit Hemd und Strümpfen bekleidet. Alles andere wurde, wie damals üblich, geraubt. Auch vor einem König machte da niemand Halt.

Die Leiche kommt später nach Weißenfels, wird dort einbalsamiert. Dann, auf einem Leichenzug durch die protestantischen norddeutschen Städte, wird der tote König immer wieder aufgebahrt. Die Protestanten ehren ihren Helden. Schließlich wird er in Stockholm beerdigt.

An die Fundstelle des Leichnams rollte ein Soldat zusammen mit 13 Bauern einen großen Stein, einen Findling. So sagt es die Legende. Gut 200 Jahre später, 1837, ließ Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. einen schützenden, eisernen Baldachin über dem Stein errichten. Preußen war zutiefst protestantisch. Das Ganze genoss höchste Aufmerksamkeit, kein Geringerer als Karl Friedrich Schinkel entwarf den Eisenkunstguss. Tausende kamen zur Weihe. Weitere 70 Jahre später, 1907, stiftete ein schwedischer Großhändler den Bau einer Kapelle mit 180 Sitzplätzen. Sie steht neben dem Gedenkstein.

Nach dem Ersten Weltkrieg – die Leute hatten wenig Geld und Essen – sahen es einige auf das Kupfer der Anlage ab. Die Lützenstiftung in Göteborg beschloss, einen Wärter anzustellen. Einen Schweden natürlich. 1932 wurde ein Haus gebaut. Hans Svensson zog mit seiner Familie ein. Und passte auf. Fast 30 Jahre lang. Selbst die DDR-Führung hatte offenbar nichts einzuwenden. Erst 1961, nach dem Mauerbau, wurde es den Svenssons zu ungemütlich. Nach einem Urlaub in der alten Heimat kehrten sie nicht nach Lützen zurück. Seitdem gibt es keinen Wächter mehr.

Die Deutschen blieben neugierig. Archäologen untersuchten das Schlachtfeld. Einen Teil davon. Tausende Funde wurden gemacht. Kugeln, Knöpfe, Münzen. Und dann 2010: das Massengrab. Das wurde im Ganzen, in einem Block, geborgen. Eine Sensation.

Nun ist ein Museum geplant. Direkt am Gedenkstein, am Schlachtfeld. Im Zentrum des Gebäudes: das Grab mit den Gebeinen in einem 13 Meter hohen Raum. Daneben werden die Geschichten der Opfer erzählt. Wer waren die Toten? Wie ernährten sie sich? Welche Verletzungen hatten sie? „Wir wollen den Soldaten ein Gesicht geben“, sagt Katja Rosenbaum, die Museumsleiterin. „Wir werden wenige Waffen zeigen. Das wäre unangemessen.“ Die Opfer sollen im Zentrum stehen.

Anhand der Knochen und Zähne ist die Herkunft der Gefallenen geklärt: Es waren Schweden und Norddeutsche. Der Jüngste war 15. Auch Schwerstgezeichnete kämpften. Bei einem Soldat war das eine Bein acht Zentimeter länger als das andere.

Da so gut wie nichts außer den Knochen gefunden wurde, waren sie wahrscheinlich nackt begraben worden. Stiefel, Kleidung, Rüstung, Munition – Opfer wurde geplündert. So war es üblich. So war es nötig, die Heere mussten sich selbst versorgen und nahmen mit, was sie tragen konnten.

Die Geschichte des Krieges und der Schlacht soll weiterhin im bereits bestehenden Schlossmuseum in Lützen erzählt werden. „Wir wollen die Besucher ja auch in die Stadt locken.“ Der Bau ist in der Genehmigungsphase. Mehr als fünf Millionen Euro müssen wahrscheinlich investiert werden. Ein Förderantrag liegt bei der Investitionsbank des Landes. Wenn alles klappt, kann der Bau nächstes Jahr starten. Und 2020 fertig sein.

Noch macht Lützen keine aktive Tourismuswerbung in Schweden. Mit dem Museum soll sich das definitiv ändern, sagt Museumsleiterin Rosenbaum. „Lützen 1632“ soll das Museum heißen. „Lützen – den Namen kennt in Schweden jedes Schulkind.“