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Gesellschaft 3300 Schwangerschaftsabbrüche im Jahr: Aktion gegen §218

Eine ungewollte Schwangerschaft gehört zur Lebensgeschichte vieler Frauen. Ein Abbruch ist nach Paragraf 218 strafbar, es gelten aber Ausnahmen. Gegen diese alte Regelung richtet sich immer wieder Protest. Beraterinnen machen auch auf andere Probleme ungewollt Schwangerer aufmerksam.

Von dpa Aktualisiert: 29.09.2021, 21:59

Magdeburg - In Sachsen-Anhalt ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im vergangenen Jahr auf dem Niveau der Vorjahre geblieben. 2020 registrierte das Statistische Landesamt knapp 3280 Eingriffe nach rund 3350 im Jahr 2019 und 3300 im Jahr 2018. Der Blick weiter zurück zeigt einen rückläufigen Trend: 2005 etwa hatte es noch fast 4780 Abbrüche gegeben. 2010 lag die Zahl bei knapp 4080.

Viele Frauen, die ihr Kind nicht austragen wollen, haben zuvor schon eines oder mehrere Kinder geboren. Fast 1000 Frauen, die 2020 ihre Schwangerschaft abbrachen, hatten demnach bereits ein Kind, mehr als 900 schon zwei und über 300 Frauen hatten drei Kinder zur Welt gebracht.

Für ungewollt Schwangere ist es nach Angaben der Organisation Pro Familia in Sachsen-Anhalt zunehmend schwierig, innerhalb kurzer Zeit einen Arzt für einen Schwangerschaftsabbruch zu finden. „Es gibt nur wenige Fachärzte, die einen Eingriff durchführen möchten“, sagte Maria Vinzens von der Pro Familia Beratungsstelle Magdeburg. „Und es werden immer weniger.“

In Halle etwa gebe es aktuell nur zwei Einrichtungen, im Bereich Magdeburg habe sich die Zahl der Ärztinnen und Ärzte auf etwa sieben reduziert. Zum Teil bedeute das zwei bis drei Wochen Wartezeit. Insbesondere in der Urlaubszeit und an Weihnachten gebe es Schwierigkeiten, zeitnah einen Termin zu bekommen.

Der Pro Familia Bundesverband hat gemeinsam mit Partnern ein Aktionsjahr gegen den Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch gestartet, nach dem ein Schwangerschaftsabbruch strafbar ist. Unter bestimmten Bedingungen bleibt er jedoch straffrei. Dazu zählt, dass die Frau den Vorgaben der sogenannten Beratungsregelung folgt. Für diesen Dienstag ist in Magdeburg ein Aktionstag gegen den Paragrafen geplant.

Auf einer online veröffentlichten Liste der Bundesärztekammer finden sich für Sachsen-Anhalt knapp zehn Krankenhäuser, Praxen und niedergelassene Ärzte, die einen Abbruch anbieten. Die Aufnahme in die Liste ist freiwillig, diese ist daher nicht vollständig.

Vinzens schilderte ein zunehmend aggressives Klima, das die Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen produzierten. Online und auch auf Veranstaltungen zeigten sie blutverschmierte Fötusmodelle, Plakate und streuten gezielt Falschinformationen. Ratsuchende bekämen Angst. „Die Bilder verankern sich.“ Anders als in anderen Bundesländern gebe es in Sachsen-Anhalt bislang aber noch keine Gehsteigbelagerungen vor Beratungsstellen und Praxen.

Pro Familia setzt sich für die Streichung des Paragrafen 218 ein. Die Organisation fordert zudem bessere Informationsmöglichkeiten für die Betroffenen.

Schon seit vielen Jahren wird über das sogenannte Werbeverbot diskutiert. Ärztinnen und Ärzte dürfen seit wenigen Jahren informieren, dass sie Abbrüche durchführen, online aber etwa nicht über den Eingriff selbst, Risiken sowie Vor- oder Nachsorge.