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Ärztemangel Harzer stehen Schlange beim Augenarzt

Zwei neue Kassenpraxen starten in Halberstadt, um regionalen Versorgungsnotstand zu beenden.

Von Dennis Lotzmann 07.02.2017, 00:01

Halberstadt l Eine lange Menschenschlange hat am Montagmorgen in Halberstadt für einige Verwunderung gesorgt. Einheimische, die unweit der Minna-Bollmann-Straße leben, hatten genau damit aber gerechnet. Schließlich wird in der Harzer Kreisstadt schon seit Wochen darüber diskutiert, dass das zum Ameos-Klinikum gehörende Poliklinikum eine Augenarzt-Praxis eröffnet. Ein Schritt, mit dem die Betroffenen vor allem Hoffnung verbinden: Endlich eine Praxis, in der Kassenpatienten behandelt werden, ohne das Portemonnaie zücken zu müssen.

Einer, der sich diese Chance nicht entgehen lassen wollte, war Gerald Horn. Der 59 Jahre alte Halberstädter war schon 5.45 Uhr zur Praxis gepilgert, um sich in der erwarteten Schlange eine Spitzenposition zu sichern. Was ihm gelang. Kurz nach 9 Uhr war er der erste Patient, den Dr. Detlev Hoffmann behandelte. Gerald Horn nahm die Wartezeit trotz Schmuddelwetters gelassen: „Ich bemühe mich seit drei Jahren um einen Augenarzt-Termin – was sind da schon drei Stunden?“

Für die Harzer ist die Neueröffnung der augenärztlichen Praxis ein Hoffnungsschimmer. In den vergangenen Jahren schlossen immer mehr Augenärzte altersbedingt ihre Praxen – so eine Halberstädterin und zuletzt ein Mediziner in Thale. Andere haben sich auf ambulante Operationen spezialisiert oder gaben – ebenfalls in Halberstadt – Ende 2016 ihre kassenärztliche Zulassung zurück. Konsequenz: Die im Harz verbliebenen Augenheilkundler waren spätestens 2016 völlig überlaufen und nahmen fast ausnahmslos keine Kassenpatienten mehr an.

Auf den Notstand haben die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und das Ameos-Klinikum in Halberstadt zum Jahresanfang 2017 reagiert. Die KV hat zum Februar eine sogenannte Eigenpraxis in der Harzer Kreisstadt eröffnet. Dort behandelt nun ein von der KV fest angestellter Augenmediziner die Kassenpatienten. Als im Januar die Terminvergabe begann, brach die Telefonanlage zusammen.

Die KV verspricht sich von diesem speziellen Weg eine dauerhafte Lösung. Zunächst soll der Mediziner von bürokratischen Dingen, mit denen niedergelassene Ärzte zu kämpfen haben, entlastet werden. Langfristig hofft man auf eine klassische ärztliche Niederlassung.

Auch der 73 Jahre alte Hoffmann, der seit Montag als Ameos-Mitarbeiter arbeitet, versteht sich als Brückenbauer. Er wisse um den augenärztlichen Versorgungsnotstand im Harz und wolle beim Gegensteuern helfen. „Ich will hier eine funktionierende Praxis aufbauen und in einigen Jahren an einen jüngeren Nachfolger übergeben.“ Mit dem Ansturm – fast 40 Patienten am ersten Tag und 400 Termine – habe er nicht gerechnet.

Oder doch? Als Hoffmann 2008 in Aschersleben eine augenärztliche Praxis eröffnete, standen Hunderte Patienten Schlange. Die Fotos wurden damals bundesweit publiziert.