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AfD-Parteitag Rangeleien und Rücktritte

Beim AfD-Parteitag in Gardelegen gab es viele Aufrufe zur Geschlossenheit. Doch mit der geforderten Einheit war es schnell vorbei.

Von Michael Bock 28.01.2018, 17:18

Gardelegen l Der Empfang für die AfD-Mitglieder am Sonnabendmorgen ist laut. Sehr laut. Auf der gegenüber liegenden Seite des Volks­hauses protestieren etwa 120 Demonstranten gegen den Parteitag. Sie trommeln auf Fässern, aus Lautsprechern schallt Musik. In einem Aufruf des Bündnisses heißt es: „Wir wollen nicht zulassen, dass sich der gesellschaftliche Diskurs hin zu den menschenfeindlichen Ideologien von alten und neuen Nazis verschiebt. Diese Normalisierung von Neofaschismus werden wir nicht widerstandslos hinnehmen.“

Es kommt zu Provokationen, zu Rangeleien. Der ausgestreckte Mittelfinger wird gezeigt. Mehrfach versuchen Demonstranten, Blechfässer auf die Straße zu rollen und den Verkehr zu blockieren. Die Polizei unterbindet das. Immer wieder versuchen einzelne, die Polizeikette zu durchbrechen. Es kommt zu einem Handgemenge. Zwei Polizisten reißen einen Demonstranten zu Boden. Eine Polizistin wird verletzt. Gegen einen 30-Jährigen aus Niedersachsen wird Strafanzeige gestellt.

Im Volkshaus stehen die AfD-Mitglieder in einer langen Schlange. Fast 250 sind gekommen. Der Parteitag beginnt mit halbstündiger Verspätung. AfD-Chef André Poggenburg ruft die Partei zur Geschlossenheit auf. Er erinnert daran, dass die AfD bei der Bundestagswahl im vorigen Jahr gegenüber der Landtagswahl 2016 4,7 Prozentpunkte verloren habe. „Wir haben Wählerpotenzial verschenkt“, kritisiert er. Die „monatelangen, parteiinternen Spannungen“ hätten ein unvorteilhaftes Außenbild erzeugt und Wähler abgeschreckt. „Beständiges Anstürmen gegen demokratisch gewählte Strukturen ist nicht demokratisch. Das ist ein kleines Stück Anarchie. Lasst uns die eigenen Befindlichkeiten endlich ablegen.“

Die wahren Feinde seien draußen zu suchen, „Linksfaschisten und Islamisten“, fügt er hinzu. „Die warten nur darauf, dass wir Schwäche zeigen.“

Der Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt mahnt, nicht mehr auf das Trennende aus der Vergangenheit zu schauen. „Was aber für den endgültigen Erfolg unserer Partei wichtig ist, das ist die Einigkeit unserer Partei“, ruft er mit dröhnender Stimme. Und erntet einen frenetischen „Martin, Martin“-Sprechchor.

Doch nur wenige Stunden später ist es vorbei mit der Einigkeit. Ein Antrag, die Giftschlamm-Deponie Brüchau zu schließen, wird noch einstimmig beschlossen. Dann aber wird auch die Stimmung im Saal immer giftiger. Erster Streit entzündet sich in der Frage, wie über eine Satzungsänderung abgestimmt werden soll. Offen? Geheim? Mit dem sogenannten Hammelsprung? Lange Debatten, Zwischenrufe, Durcheinander.

Es wird der Hammelsprung. Die AfD-Mitglieder kommen durch getrennte Bereiche, die jeweils mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ bezeichnet sind. Der Vorstand scheitert dann mit dem Versuch, dem Landesverband eine neue Satzung zu geben. 140 Jastimmen, 103 Neinstimmen, vier Enthaltungen. Die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit wird verfehlt. Im Saal brandet Jubel auf.

Poggenburg reagiert angefressen: „Dass hier so abgefeiert wird, zeigt, dass wir am Miteinander ganz schön arbeiten müssen.“ „Da musst du bei dir anfangen“, ruft einer in den Saal. Es läuft nicht gut für den Landesvorstand: Auch der Vorschlag für eine neue Finanzordnung scheitert an der Zweidrittel-Mehrheit.

Dann, am Nachmittag, der Paukenschlag: Die drei Mitglieder des Landesschiedsgerichts, welches bei parteiinternen Streitigkeiten eingeschaltet wird, treten zurück. Das Schiedsgericht hatte Anfang Januar einen Beschluss des Landesvorstands gekippt, den Kreisverband Börde aufzulösen.

Poggenburg begründet diese Entscheidung beim Parteitag erneut auch damit, dass „sehr große Rechtsunsicherheit“ und „große Unruhe“ im Kreisverband geherrscht hätten. Für seine Rede bekommt er nur spärlichen Applaus.

Kurz vor 16 Uhr tritt Schiedsgerichts-Präsident Christian Hecht, der noch vor kurzem als Poggenburg-Anhänger galt, ans Rednerpult. Er sagt, das Schiedsgericht sei an keine Weisungen gebunden. Und dann: „Es war für die Richter des Schiedsgerichts ungeheuerlich, feststellen zu müssen, mit welch ehrverletzendem Hass gegenüber den Schiedsrichtern bestimmte Mitglieder des Landesvorstands und insbesondere der Vorsitzende auf die Entscheidungen in Sachen Kreisverband Börde reagiert haben.“ Poggenburg sieht das anders und keilt zurück: Hecht habe „meine Person mehrmals beschämend angegriffen“, erregt er sich. „Und das vor der Presse.“ Am Ende wird die Nationalhymne gesungen. Und selbst sind etliche Misstöne zu hören.

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