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AgrarmesseGrüne Woche heißt Schlemmen und Klimaschutz

Mehr denn je geht es bei der Grünen Woche um Umwelt-, Klima- und Tierschutz. Die Klimaschützer von Fridays for Future sind erstmals da.

Von Massimo Rogacki 18.01.2020, 06:00

Berlin l Phillip Krainbring aus Hohendodeleben ist auf der Grünen Woche als einer von vielen Agrarscouts – eine Art „Erklär-Bauer“ – im Einsatz. Der 33-Jährige arbeitet als Betriebsleiter in einem Ackerbaubetrieb. Auf der Messe sucht er auf dem Erlebnisbauernhof das Gespräch mit Besuchern, erläutert, wie Landwirtschaft funktioniert, beantwortet Fragen. „Die Verbraucher setzen sich mehr und mehr mit Ernährungsthemen auseinander. Das ist schon spürbar“, sagt er.

Dialog und Protest: Die weltgrößte Agrar- und Verbrauchermesse steht in diesem Jahr im Zeichen der Klimadebatte. Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und umweltfreundliche Produktionsverfahren heißen die Trendthemen. Stärker denn je ist die Messe politisch aufgeladen.

Bei den Bauern brodelt es. Seit Monaten protestiert die Bewegung „Land schafft Verbindung“ mit Traktoren-Konvois in deutschen Städten. Sie kritisiert die vom Bund angestrebte Verschärfung von Umwelt- und Tierschutzauflagen. In vielen Punkten wenig praxistauglich, sagen Landwirte. Auf der Grünen Woche wird über diese Themen diskutiert werden.

Informieren können sich Besucher erstmals auch an einem Stand der „Fridays for Future“- Bewegung. Und zur traditionellen Demo des „Wir haben es satt“-Bündnisses heute ab 12 Uhr am Brandenburger Tor werden wieder Tausende Menschen erwartet. „Agrarwende anpacken, Klima schützen!“, so der Slogan in diesem Jahr.

Bundesumweltministerin Julia Klöckner (CDU) hat die Kritik der Bauern am Agrarpaket der Regierung in den vergangenen Wochen einiges abverlangt. Beim Eröffnungsrundgang sagt sie, es sei wichtig, dass Landwirtschaft und Verbraucher wieder zueinanderkommen. „Wir sitzen alle in einem Boot beim Erhalt unserer Ressourcen“, sagt Klöckner. Der Dialog müsse weitergehen.

Beim Rundgang zeigt sich die Ministerin gutgelaunt. Hier und da wird gekostet. Die Gaumenfreuden sollen auf der Grünen Woche natürlich nicht zu kurz kommen. Noch nie in der Geschichte gab es so viele Aussteller wie in diesem Jahr. Mehr als 1800 aus 72 Ländern. Partnerland ist Kroatien. In Halle 10.2 präsentiert es sich mit allerlei Köstlichkeiten. Schinken aus Dalmatien, Fuži – eine traditionelle Pasta mit Trüffeln, feine Olivenöle und Weine. In Halle 1.2b zeigen erstmals 14 afrikanische Länder, was ihre Küche zu bieten hat. Dort werden getrocknete Hibiskusblüten kredenzt, Couscous gibt es. Und Bohnen – in allen Variationen.

Weiter geht die kulinarische Rundreise um den Globus. Kaviar und feine Fischspezialitäten stehen in der russischen Halle 2.2 zur Auswahl. Karelische Piroggen mit dünner Teighülle mit regionaltypischen Füllungen wie Gerstenbrei, Milchreis oder Kartoffelbrei kommen in Finnland – dem letztjährigen Partnerland – auf den Teller. Wer die Wahl zwischen Hunderten Gewürzen haben möchte, der wird in Halle 18 beim Auftritt Marokkos fündig.

In Halle 23b wartet Sachsen-Anhalt. Gesunde und bewusste Ernährung, vegane Nahrungsmittel und solche mit reduziertem Zuckeranteil – sie liegen im Trend, sagt Jörg Bühnemann, Geschäftsführer der Agrarmarketinggesellschaft Sachsen-Anhalt. Ein Dauerbrenner ist das Thema Regionalität. In diesem Jahr gibt es erstmals einen Stand, an dem Kleinstbetriebe abwechselnd auf ihre Produkte aufmerksam machen wollen. Am Eröffnungstag der Grünen Woche ist das Völckes Hofladen aus Magdeburg. Dort gibt es unter anderem frische Fleisch- und Wurstwaren aus eigener Produktion und Haltung. „Aus der Region für die Region. Das beherzigen wir“, sagt Geschäftsführer Christian Völcke.

Insgesamt sind in der Sachsen-Anhalt-Halle in diesem Jahr 102 Aussteller zu finden – einige mehr als im vergangenen Jahr. Rund 540 000 Euro investiert das Land in den Auftritt. Die Ernährungswirtschaft hat eine große Bedeutung. 22 600 Beschäftigte erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 7,5 Milliarden Euro.

Die Messe ist auch immer eine Möglichkeit, neue Produkte zu testen. So lotet etwa die Winzervereinigung Freyburg-Unstrut aus, wie die alkoholfreien Weine ankommen. Ein weißer Bacchus und ein Portugieser Rosé können probiert werden. Sachsen-Anhalts Bauernpräsident Olaf Feuerborn nimmt gleich mal eine Kostprobe.

Noch liegt der Marktanteil von alkoholfreiem Wein laut Deutschem Weininstitut unter einem Prozent. Doch der Trend zum Genuss ohne Prozente ist da, immer mehr Winzer lassen ihre Weine entalkoholisieren, um damit ihr Sortiment zu erweitern. Vorgemacht haben es Bier und Schaumwein. Dort legen die alkoholfreien Varianten seit Jahren zu.

Wer den Gaumenkitzler mit Alkohol bevorzugt, wird unter anderem bei Braunes Eierlikören aus Altenweddingen fündig. Gereicht wird die goldgelbe Flüssigkeit von Eierlikörprinzessin Maria-Elisabeth I. persönlich. Eine Gruppe aus dem Mansfelder Land hat sich gerade eine Runde bestellt. Warum sie als erstes in der Sachsen-Anhalt-Halle gelandet sind? „Zu Hause ist es doch am schönsten“, so die einhellige Meinung der Messe-Besucher.

Gegen Mittag hat „Erklärbauer“ Phillip Krainbring bereits unzählige Gespräche geführt. „Die Leute haben viele Fragen, es geht auch um Reizthemen wie etwa Glyphosat“, sagt der Landwirt. In der derzeitigen Debatte um die Landwirtschaft liege auch eine Chance, sagt er. Über keine Branche werde derzeit so viel geredet. „Wir müssen jetzt versuchen, noch mehr Menschen mitzunehmen“, findet der 33-Jährige.