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Alimente Staat zahlt immer mehr Unterhalt

Wenn der Vater keinen Unterhalt zahlt, müssen Kommunen und das Land Sachsen-Anhalt ran. Das sorgt für Diskussionen.

Von Jens Schmidt 03.12.2018, 00:01

Magdeburg l Die Zahl der staatlichen Unterhaltszahlungen ist in den vergangenen anderthalb Jahren bundesweit rasant gestiegen. Auch in Sachsen-Anhalt: Von 17.000 auf jetzt 34.000. Für diese Kinder wird der Steuerzahler in diesem Jahr die Alimente übernehmen. Bis zum Jahresende werden es allein im Bundesland fast 90 Millionen Euro sein. Nur ein Zehntel kommt wieder rein, weil es den Jugendämtern meistens nicht gelingt, die Väter zum Zahlen zu bewegen. Entweder ist wegen zu geringer Einkünfte nichts zu holen oder die Männer sind nicht auffindbar.

Befeuert wird der Anstieg durch ein Bundes-Gesetz, das seit 1. Juli 2017 gilt. Zahlte der Staat früher nur für Kinder bis zum 11. Lebensjahr, so ist das nunmehr bis zum 18. Lebensjahr ausgeweitet worden. Der Bund trägt 40 Prozent der Kosten. Der große Rest der Ausgaben landet bei den Ländern - die einen Teil davon wiederum auf die Kommunen abwälzen können.

In Brandenburg übernimmt die Landeskasse alles. In Mecklenburg-Vorpommern fast alles. In Sachsen-Anhalt teilen sich Land und Kommunen die Kosten. Was so fair klingt, heißt jedoch: Landkreise und kreisfreie Städte müssen immerhin 30 Prozent der Kosten schultern. Und die sind sprunghaft gestiegen: Von 12 auf 27 Millionen Euro. Hinzu kommen 5 Millionen Euro Verwaltungskosten bei den Jugendämtern.

„Wir forden vom Land 20 Millionen Euro Kostenausgleich“, sagt Lothar Theel, Geschäftsführer des Landkreistags. Wenn das Land schon Aufgaben abwälzt, müsse es sich auch finanziell angemessen daran beteiligen. Das zuständige Sozialministerium sieht das anders. Argument: Die Kreise sollten mehr Geld von Unterhaltsverweigerern eintreiben - nicht nur zehn, sondern 25 Prozent seien machbar. Die Landräte halten das für illusorisch. Vor der Gesetzes-Reform lag die Quote zwar tatsächlich mal bei einem Viertel. Doch da waren es deutlich weniger Fälle. Um diese Quote wieder zu erreichen, müssten die Landräte mehr Mitarbeiter in den Jugendämtern einstellen. Das aber treibt die Personalkosten hoch.

Das Sozialministerium bemüht noch ein zweites Argument: Bekommen sozial bedürftige Mütter und Kinder Unterhaltsvorschuss, sinken die Hartz-IV-Ansprüche. Darunter fallen auch Zuschüsse für Miete und Heizung - also jene Kosten, die zum Teil von den Kreisen getragen werden. Angebliches Entlastungsvolumen: 12 bis 26 Millionen Euro.

Die Realität sieht aber anders aus. Tatsächlich sanken die Hartz-IV-Zuschüsse fürs Wohnen in den vergangenen beiden Jahren gerade mal um sechs Millionen Euro. Und: Diese Zahl sagt nichts über die Gründe aus. Dank des wirtschaftlichen Aufschwungs ist es naheliegend, dass viele weniger Stütze bekommen. Niemand weiß, wie viele dieser Familien einen Unterhaltsvorschuss erhalten und was dieser bewirkt.

Die Landräte haben vom Taktieren der Regierung genug. Neun der elf Landkreise haben jetzt beim Landesverfassunsgericht Dessau Klage eingereicht, weil sie die Lastenverteilung für rechtswidrig halten.

In der Regierungskoalition dämmert es den ersten, dass die Argumente des Sozialministeriums auf tönernen Füßen stehen und eine Niederlage absehbar ist. „Wir brauchen eine Lösung“, sagt SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben. Am Mittwoch soll der Finanzausschuss auf seiner abschließenden Sitzung für den Haushalt 2019 einen Ausweg finden.