Weltwirtschaftskrise und NS-Diktatur bereiten der Blüte der Magdeburger Zeitungslandschaft ein jähes Ende Am 3. April 1933 wird die Volksstimme von der SS gestürmt
Die "Goldenen Zwanziger Jahre" hatten mit stetig steigenden Leserzahlen und wachsendem Anzeigenaufkommen für eine Blüte der Magdeburger Zeitungslandschaft gesorgt. Damit war es im Herbst 1929 schlagartig vorbei. Die Weltwirtschaftskrise kam in die Region, die örtlichen Unternehmen verzeichneten rapide Auftragsrückgänge – Lohnkürzungen, Entlassungen und Betriebsschließungen waren die Folge. Arbeitslosigkeit und Armut in Magdeburg nahmen drastisch zu, am Stadtrand bildeten sich sogar Bretterbudenslums – ans Zeitunglesen dachte da kaum jemand.
Dazu kam ein neuer, bald sehr mächtiger Konkurrent: NSDAP-Gauleiter Wilhelm Friedrich Loeper gründete im Juli 1930 den Trommler-Verlag, der ab 1. April 1932 eine eigene Nazi-Zeitung herausbrachte, den Mitteldeutschen mit der Lokalausgabe, dem Neuen Magdeburger Tageblatt. Loeper, ein NS-Kämpfer der ersten Stunde, war ein Intimfeind insbesondere des Faber-Verlags.
Die linke Presse wird ausgeschaltet
Am 28. Februar 1933 wurden die kommunistischen und sozialdemokratischen Zeitungen reichsweit auf 14 Tage verboten, am 14. März wurde das Verbot verlängert und schließlich am 28. März auf unbestimmte Zeit festgesetzt. Die Volksstimme entließ ihre Mitarbeiter, darunter elf Redakteure und Chefredakteur Karl Höltermann, bereits am 18. März, wohl in Vorahnung der Dinge, die noch kommen würden. Am 30. März wurden die Werbeschilder am Volksstimme-Haus in der Großen Münzstraße entfernt.
Zum Vernichtungsschlag gegen die Volksstimme holte die NSDAP in der Nacht vom 2. auf den 3. April 1933 aus. Um 1 Uhr nachts stürmten 50 bewaffnete Männer des SS-Sturms 1/21 das Haus und besetzten es unter dem Vorwurf der illegalen Flugblattherstellung. Der Verlagsdirektor Voigt wurde "in Schutzhaft" genommen, in den Schaufenstern hing tagelang die Zeitung des Trommler-Verlags.
Am anderen Morgen wurde die Durchsuchungsaktion des Volksstimme-Hauses von einem Kommando aus Kriminal- und Schutzpolizei fortgesetzt. Wie die Pressestelle des Polizeipräsidiums damals mitteilte, fanden sich aber keine Anhaltspunkte für den Vorwurf. Lediglich ältere Broschüren, drei Gummiknüppel und einen Karabiner entdeckten die Beamten. NSDAP und SS hielten das Gebäude trotzdem weiter besetzt und ließen die nächtliche Aktion im Juli 1933 nachträglich "legalisieren", indem sie Immobilien und Einrichtungen der linken Verlage dem Trommler-Verlag übertrugen.
Am 5. April wurden die in der Volksstimme beschlagnahmten Akten, Schriften, Bücher, Fahnen und Bilder auf dem Domplatz nach einer Ansprache des NSDAP-Kreisleiters Rudolf Krause verbrannt. Der Wert der Unterlagen soll 40 000 Reichsmark betragen haben. Verlag, Redaktion und Druckerei der KPD-eigenen "Tribüne", die in der St.-Michael-Str. 16 in Sudenburg ihren Sitz hatte, waren bereits nach dem Reichstagsbrand Ende Februar ausgeschaltet worden.
Der Faber-Verlag kämpft ums Überleben
Im Faber-Verlag reagierte man schockiert auf diese Ereignisse, musste jedoch schnell zum Tagesgeschäft übergehen. Der Verlag war finanziell durch die Abschreibungen des Hochhausbaus und die Weltwirtschaftskrise angezählt, außerdem nahm der Trommler-Verlag nun den Platzhirsch Faber und vor allem den lukrativen General-Anzeiger aufs Korn. Uniformierte "Werber" der SA gingen in Gruppen auf Abonnenten- und Anzeigenakquise und terrorisierten landauf, landab die Bürger (siehe Infokasten).
Verschiedene Firmen und Institutionen verpflichteten ihre Mitarbeiter außerdem zum Lesen einer NS-Zeitung, darunter Hubbe und Fahrenholtz, R. Wolf und die Maschinenfabrik in Buckau, Schäffer und Buddenberg und sogar der Magistrat der Stadt Magdeburg. Am 15. Juni bezog der Trommler-Verlag das Volksstimme-Haus in der Gr. Münzstraße. "Die Volksstimme gehört uns!", titelte das Neue Magdeburger Tageblatt an diesem Tag.
Eine weitere Niederlage musste der Faber-Verlag einstecken, als der Magistrat am 25. Juni beschloss, das Amtsblatt einzustellen und die offiziellen Bekanntmachungen von Verwaltung und Polizei im Nazi-Blatt vorzunehmen. Und das war nur ein Vorgeschmack auf das, was dem Verlag noch bevorstehen sollte.