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Arbeitsmarkt Scheele will niemanden zurücklassen

In Magdeburg diskutierte der Vorstand der Bundesarbeitsagentur, Detlef Scheele, am Dienstag über die Zukunft der Arbeit.

06.06.2017, 20:20

Magdeburg l Der deutsche Arbeitsmarkt boomt. Seit einigen Jahren kennt das Beschäftigungs-Barometer nur eine Richtung. In jedem Bundesland ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer gestiegen. Detlef Scheele kommt aus dem Schwärmen am Dienstagabend in Magdeburg gar nicht mehr heraus. Über die Beschäftigung der Zukunft soll der neue Chef der Bundesarbeitsagentur sprechen. Und darüber, wie Menschen und Arbeit in den nächsten Jahren zusammenkommen.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat in das Maritim-Hotel geladen. Auf dem Podium sitzen neben Scheele, die Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration, Petra Grimm-Benne (SPD), Sachsen-Anhalts DGB-Chefin Susanne Wiedemeyer und Arbeitgeberpräsident Klemens Gutmann. Volksstimme-Chefredakteur Alois Köster stellt die Fragen.

Aber erst referiert Scheele. Bei aller Euphorie, sagt der frühere Arbeitssenator von Hamburg, stehe seine Behörde vor wichtigen Aufgaben. Dabei gehe es einerseits darum, den Bedarf der Wirtschaft nach Fachkräften zu decken. Andererseits gehe es darum, Menschen zu unterstützen, die von sich aus nicht den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen. „Wir können niemanden zurücklassen. Wir brauchen alle", erklärt Scheele. Als neuer Arbeitsagentur-Chef plant er, an mehreren Stellschrauben zu drehen. „Frühkindliche Bildung ist das beste Mittel gegen Langzeitarbeitslosigkeit", sagt er. Scheele hält seine Mitarbeiter im Job-Center dazu an, Eltern auf Kinder-Krippen-Plätze hinzuweisen. Bereits dort werde der Grundstein für den weiteren Bildungsweg gelegt.

Scheele kündigt zudem an, genauer den Übergang von der Schule in den Beruf unter die Lupe nehmen zu wollen. „Es gibt immer noch zu viele Jugendliche, die an den Abschluss denken, aber nicht an den Anschluss", sagt der 60 Jahre alte Arbeitsmarkt-Experte. Es gebe neben dem Hochschulstudium viele weitere Alternativen. Darauf solle verstärkt hingewiesen werden, so Scheele. Er plant außerdem Ausbildungs- und Studienabbrecher stärker aufzufangen und auf das weitere Berufsleben vorzubereiten.

Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne verweist auf die niedrige Arbeitslosenquote von 8,2 Prozent in Sachsen-Anhalt. Eine Herausforderungen seien aber die Langzeitarbeitslosen. In Sachsen-Anhalt seien derzeit etwa 37.400 Menschen länger als ein Jahr ohne Job. Das Land habe bereits zahlreiche Programme und Maßnahme für Langzeitarbeitslose aufgelegt. Derzeit gebe es in vielen Regionen des Bundeslands gezielte Projekte, die das Land mit viel Geld unterstütze. Ziel sei es, dass Kommunen und Jobcenter stärker kooperieren, um Menschen gezielt anzusprechen und in Arbeit zu bringen, so Grimm-Benne. Sachsen-Anhalts DGB-Chefin Susanne Wiedemeyer betont, es sei wichtig, die Menschen individueller anzuschauen. Vor allem Jugendliche dürften nicht alleine gelassen werden.

Mit Blick auf die Digitalisierung in der Arbeitswelt betont Detlef Scheele auch den Wandel, der seine Behörde erfassen wird. „Wir müssen von einer Krisen-Interventions-Behörde zur Begleitungsbehörde werden", sagt Scheele. In einer sich ständig erneuernden Arbeitswelt, in der neue Aufgaben für die Arbeitnehmer entstünden, werde lebenslanges Lernen immer wichtiger.

Sachsen-Anhalts Arbeitgeberpräsident Klemens Gutmann rechnet nicht mit stärkeren Job-Verlusten durch den digitalen Wandel. „Es wird Umwälzungen geben und es werden Unternehmen verschwinden. Das ist nicht schädlich. Unternehmen kommen und vergehen", so Gutmann. Sachsen-Anhalt sieht er für die Veränderungen gerüstet. „Wir stehen etwas trainierter dar."

Im Saal steht ein Zuhörer auf und wirft ein: „Sachsen-Anhalt gehen die Unternehmer aus, uns fehlen vor allem Gründer." Der Mann habe Recht, sagt Gutmann. „Die Leute müssen wieder mitbekommen, dass es ganz hervorragend ist, Unternehmer zu sein." Gutman selbst führt den Abrechnungs-Spezialisten Regiocom mit mehr als 5000 Mitarbeitern. DGB-Landeschefin Wiedemeyer regt an, auch das Problem der Firmennachfolge nicht aus den Augen zu verlieren.

Detlef Scheele ist seit April dieses Jahres Chef der Bundeagentur für Arbeit. Er blicke optimistisch nach vorne. Aber: „Wir werden das inländische Arbeitskräftepotenzial voll heben müssen und brauchen Zuwanderung über die Europäische Union hinaus, um den Fachkräftebedarf der Industrie decken zu können", erklärt er. Susanne Wiedemeyer hat einen Wunsch für die Zukunft. Unternehmen sollten die Aussage „gute Arbeit" nicht nur schreiben, sondern auch leben. Für Sachsen-Anhalt wünscht sich die DGB-Chefin zudem mehr Unternehmen mit Tarifbindung.