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Archäologie Blick zurück in die Eisenzeit

Ein eisenzeitliches Urnengräberfeld in Haldensleben erlaubt Rückschlüsse auf eine frühe germanische Kultur.

Von André Ziegenmeyer 30.06.2017, 01:01

Haldensleben l Vorsichtig umwickeln Torsten Kiesler und Ingmar Brüggemann eine Urne mit Folie, dann mit Gipsbinden. Die beiden Grabungsarbeiter bereiten ihren Fund für den Transport nach Halle ins Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie vor.

Insgesamt hat die Archäologin und Grabungsleiterin Jana Vogt mit ihrem Team in dem Haldensleber Gewerbegebiet 26 Gräber entdeckt. In 23 befanden sich Urnen. In dreien lag die Asche der Toten ohne Gefäß. „Möglicherweise waren diese Menschen zu arm, um sich eine Urne leisten zu können oder es gab einen Ritus, den wir heute nicht mehr kennen“, erläutert Jana Vogt.

Anlass der dreiwöchigen Grabungen war der Bau eines Schnellrestaurants. Die Chancen für archäologische Funde standen gut. „Bereits 1898 wurde an der benachbarten Straße eine Urne gefunden“, informiert Dr. Götz Alper. Er ist der Gebietsreferent Landkreis Börde und Stendal des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie.

Auf einem nahen Firmengrundstück kamen vor Jahren nicht nur Reste einer mittelalterlichen Burg zutage, sondern auch Siedlungsspuren aus der Bronze- und Eisenzeit. Mit den Urnen haben die Forscher nun das dazugehörige eisenzeitliche Gräberfeld aufgespürt.

Die Funde sind rund 2500 Jahre alt. Sie lassen sich der sogenannten Jastorf-Kultur zuordnen. Die ist nach einem Moor im niedersächsischen Landkreis Uelzen benannt. Ihr Gebiet erstreckte sich über das heutige Niedersachsen und den nördlichen Teil Ostdeutschlands. Damit markiert der Haldensleber Fund eine Grenze. Denn die Jastorf-Kultur gehört zu den frühen germanischen Kulturen. „Weiter südlich befand sich eher keltisch beeinflusstes Gebiet“, verrät Jana Vogt. Über die Menschen dieser Zeit ist wenig bekannt. „Sie haben als Ackerbauern in Einzelgehöften oder kleinen Siedlungen gelebt. Aber es gibt keine schriftlichen Quellen“, sagt Götz Alper. Umso bedeutender sind Urnenfelder, wie das jetzt in Haldensleben entdeckte. Die Menschen hätten damals ihre Siedlungen häufiger verlegt. Aber den Grabstätten seien sie treu geblieben.

Wie Jana Vogt informiert, verbrannten die Menschen der Jastorf-Kultur ihre Toten auf Scheiterhaufen. Die Asche, oder zumindest Teile davon, wurde in den Urnen beigesetzt. „Manchmal wurde weitere Asche auch auf oder neben die Urnen gestreut“, so Jana Vogt. Vermutlich sei sie in einigen Fällen auch in Flüsse gegeben worden.Die Urnen sind topf- bis eiförmig, manche haben Deckel. Sie bestehen aus gebranntem Ton. Manche weisen Verzierungen auf, andere sind schlicht. Aus den menschlichen Überresten, dem sogenannten „Leichenbrand“, könnten Alter, Geschlecht und Krankheiten der Verstorbenen bestimmt werden, sagte die Archäologin.Daneben haben die Arbeiter Beigaben gefunden. In zwei zerstörten Urnen lag beispielsweise jeweils eine Gewandnadel. Sie bestehen aus Eisen und haben bronzene Verzierungen.

Heute geht die Ausgrabung in Haldensleben zu Ende. Trotzdem ist viel Arbeit übrig. „Die Funde müssen gewaschen, mit Nummern versehen und digital erfasst werden“, beschreibt Götz Alper.

Die wissenschaftliche Auswertung erfolge oft im Rahmen von Doktorarbeiten. Einige Urnen würden auch unberührt gelassen - für den Fall, dass es in kommenden Jahren neue Untersuchungsmöglichkeiten gibt, die weitere Rückschlüsse zulassen.

Nach Angaben des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie wurden in Sachsen-Anhalt bislang mehrere hundert eisenzeitliche Urnenfelder-Friedhöfe entdeckt.

Auch in Haldensleben sind weitere Entdeckungen sehr wahrscheinlich. „Im Süden haben wir die Grenze des Gräberfeldes erreicht. Im Norden geht es vermutlich weiter“, gibt Grabungsleiterin Jana Vogt bekannt. „Sobald es dort Bauarbeiten gibt, wird es auch weitere Untersuchungen geben.“ Konkrete Pläne dafür gebe es derzeit aber nicht.