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Asylverfahren Abschiebungen sind kaum möglich

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) fordert die konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber.

Von Michael Bock 30.03.2017, 01:01

Magdeburg l „Man muss den Mut haben zu sagen, wo die Grenzen des Machbaren sind“, sagte Stahlknecht am Mittwoch in Magdeburg. „Das ist nicht Rechtsaußen, das ist die Realität.“ Und die sieht, in Zahlen gegossen, so aus: In Sachsen-Anhalt leben nach Angaben des Ministeriums derzeit knapp 5100 ausreisepflichtige Menschen. Allerdings: Bei rund 70 Prozent von ihnen sei eine Abschiebung „nahezu unmöglich“, sagte Stahlknecht. „Die Lage ist schwierig.“ Wenn ein Staat nicht mehr geltendes Recht umsetzen könne, „verliert er Vertrauen und Durchsetzungsfähigkeit“, warnte der Minister.

Das Land hat in einer Analyse vier Gruppen von Ländern gebildet – je nachdem, wie gut die Zusammenarbeit bei der Rückführung funktioniert. Ergebnis: Im deutschlandweiten Vergleich stammten in Sachsen-Anhalt deutlich mehr Menschen aus Ländern, bei denen es kaum Chancen auf Abschiebung gibt. Probleme bereiten vor allem fehlende Ausweispapiere. Einige Zahlen: Im Jahr 2015 wurden aus Sachsen-Anhalt 997 Menschen abgeschoben, im Jahr danach waren es 846. Tendenz: stark sinkend. So wurden laut Innenministerium im ersten Quartal dieses Jahres (Stand 23. März) 61 Menschen abgeschoben. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 306.

Die mit Abstand größte Gruppe von Ausreisepflichtigen in Sachsen-Anhalt stammt derzeit aus Indien (1139). Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden nur knapp zwei Prozent der indischen Asylbewerber anerkannt.

Doch abgeschoben wird so gut wie gar nicht. Dem steht regelmäßig die ungeklärte Identität des Betroffenen entgegen. Und bei der Pass-Beschaffung gibt es Probleme. Denn: Wer einen Ersatz-Pass bekommen möchte, muss seine Identität mit Originaldokumenten beweisen. Indien will zudem wissen, ob ein Asylverfahren durchlaufen wird. Diese Angabe kann aber nur der Antragsteller machen – freiwillig. Die Behörden dürfen aufgrund europarechtlicher Vorschriften keine Auskünfte erteilen.

Stahlknecht forderte, Indien müsse zu einem sicheren Herkunftsstaat erklärt werden. „Das spricht sich dort herum, dann kommt nur noch die Hälfte.“ An ein unsicheres Indien mag Stahlknecht ohnehin nicht glauben: „Ich kenne eine Menge Leute, die zur Ayurveda-Kur oder zur Entspannung mit Klangmassage dorthin fahren.“

Der CDU-Politiker forderte von der Bundesregierung mehr Unterstützung bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber. „Der Bund ist in der Pflicht, mit den Herkunftsländern Vereinbarungen zu treffen“, sagte Stahlknecht.

Er sprach sich zudem erneut dafür aus, Handys von Asylbewerbern zu überprüfen, um herauszufinden, aus welchem Land sie stammten. „Es versteht kein Mensch auf der Straße, dass wir darüber eine Diskussion mit Datenschützern führen müssen“, sagte er.

Seit November 2016 kümmert sich eine „Taskforce Rückkehr“ darum, jeden Fall von Abschiebungen auf Hindernisse zu überprüfen. Bislang wurden der Landkreis Harz und die Städte Magdeburg und Halle untersucht. Nach ersten Ergebnissen fehlten in Magdeburg in fast der Hälfte der 657 geprüften Fälle die nötigen Dokumente für eine Abschiebung.

Im Landkreis Harz war in mehr als jedem zweiten geprüften Fall der Betroffene untergetaucht. Stahlknecht sagte, allein die dort 220 Abgetauchten seien zur Fahndung ausgeschrieben. Sie würden ein „Sicherheitsrisiko“ darstellen.

Sachsen-Anhalt will nun die freiwillige Rückkehr verstärkt fördern. Funktionieren soll das vor allem mit Geld. „Wir werden die Rückreise in die Heimat finanziell versüßen“, sagte Stahlknecht. Derzeit werden für freiwillige Rückkehrer die Beförderungskosten übernommen, dazu gibt es eine Reisebeihilfe von 200 Euro für jeden Erwachsenen/Jugendlichen und 100 Euro pro Kind unter zwölf Jahren. Für die erste Zeit in der Heimat gibt es – je nach Land – Starthilfen von bis zu 500 Euro je Erwachsenen/Jugendlichen und bis zu 250 Euro pro Kind unter zwölf Jahren.

Das Land will in diesem und im nächsten Jahr insgesamt vier Millionen Euro bereitstellen, um eine freiwillige Rückkehr zu forcieren. Voriges Jahr hatten 1653 Menschen freiwillig Sachsen-Anhalt verlassen.