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Aufklärungsdebatte Olivia Jones wirbt für Toleranz

Bei einer Lesung im Landtag Magdeburg sprach sich der Hamburger Travestie-Star für mehr Akzeptanz und Respekt aus.

16.11.2016, 16:05

Magdeburg (dpa) l An klaren Worten spart Olivia Jones nicht. "Weltweit ist Hass wieder salonfähig", sagt die Travestiekünstlerin bei einer Lesung im Magdeburger Landtag. "Parteien wie die AfD gießen immer wieder Öl ins Feuer und schüren diesen Hass – das finde ich ziemlich pervers." Die Veranstaltung auf Einladung der Grünen-Fraktion nutzt Jones zur Abrechnung mit den Rechtspopulisten. Schwule, Lesben, Transsexuelle – sie alle würden als unnormal beschimpft und müssten wieder zunehmend Hass und Anfeindungen ertragen. "Dabei wollen wir nicht mehr Rechte als andere, wir wollen einfach die gleichen Rechte", betont Jones.

Doch die Dragqueen macht deutlich, dass sie trotz aller Beschimpfungen auf Dialog setzt. Mehrmals fordert sie im Saal anwesende AfD-Abgeordnete auf, sich an der Diskussion zu beteiligen. "Warum tolerieren Sie nicht einfach die Meinung der AfD?", schleudert ihr der AfD-Abgeordnete Daniel Rausch entgegen. Jones reagiert gelassen. "Toleranz bedeutet nicht, gegeneinander zu hetzen, sondern respektvoll miteinander umzugehen", gibt sie zurück.

Jones – gekleidet in ein schwarz-orange-pink gemustertes Kostüm und mit orangefarbener Perücke – hat ihr Kinderbuch "Keine Angst in Andersrum" mitgebracht. Sie liest im Landtag ein Kapitel daraus vor. Es geht um das Gespräch einer Familie am Küchentisch, der Junge hat in der Schule das Wort "schwul" als Schimpfwort aufgeschnappt. Also erklärt ihm die Tante, dass daran nichts Ekliges ist. Und sie erzählt von dem Land "Andersrum", wo alles eben ein bisschen anders ist – aber deswegen nicht weniger normal. Zum Beispiel gibt es dort eben Feuerwehrfrauen und Kinderkrankenbrüder. Das Publikum lacht schallend.

Jones' Buch steht auf einer Liste des Ministeriums für Gleichstellung mit Buchempfehlungen zur "Geschlechter- und Familienvielfalt" für Kitas und Grundschulen. Die Liste ist auch Teil eines sogenannten "Kita-Koffers" mit Unterrichtsmaterialien, den die Landesregierung gerade erstellt. Der AfD ist das ein Dorn im Auge.

Es ist gerade einen Tag her, dass die Partei ihre "Magdeburger Erklärung zur Frühsexualisierung" vorgestellt hat. Darin warnt sie vor einer angeblichen seelischen Belastung von Kindern, wenn sie frühzeitig über andere Formen des Zusammenlebens aufgeklärt werden. Vorrang müsse die Ehe von Mann und Frau haben, weil nur aus dieser Beziehung Kinder hervorgehen könnten.

"Ich dachte, wir wären da schon weiter", sagt der Grünen Landeschef Christian Franke bei einer Diskussionsrunde nach der Lesung. "Familie ist da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen." Ganz egal, ob es sich dabei um eine Beziehung von Mann und Frau handle oder nicht.

Vor der Lesung kommt Jones kurz mit dem AfD-Fraktionschef André Poggenburg zusammen – beobachtet werden will Poggenburg dabei nicht. Das Gespräch sei "mittelmäßig verlaufen", sagt Jones. Poggenburg habe ein bisschen zurückgerudert, aber überzeugen können habe sie ihn wohl nicht. Die AfD habe Jones zur Diskussion in eine Fraktionssitzung eingeladen, hieß es in einer Mitteilung der Partei. Jones hatte vor zwei Monaten Anzeige gegen Volksverhetzung gegen Poggenburg gestellt, nachdem die AfD in einem Facebook-Post Homosexualität mit Pädophilie in Zusammenhang gebracht hatte.

Die größten Lacher erntet bei der Diskussion nach der Lesung dann ausgerechnet ein AfD-Abgeordneter – für einen Versprecher. Mit Blick auf den Kita-Koffer der Regierung schimpft Hannes Loth: "Wir brauchen kein Aktionsprogramm, das Heterosexualität bekannter macht." Dragqueen Jones reagiert schlagfertig: "Ja, weil die ist ja schon bekannt genug."