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Ausbildung Der erste Tag im neuen Leben

Jung, unerfahren, wissbegierig: Mehr als 900 Auszubildende haben ihre Lehre in Sachsen-Anhalt begonnen. Drei von ihnen werden vorgestellt.

01.08.2017, 23:01

Magdeburg l Die Augen von Ahmad Abboud Alkarz leuchten, wenn er über seine ersten Stunden als Auszubildender spricht. Am Dienstag hat der junge Syrer seine Lehre begonnen. Das Magdeburger Autohaus Krella wird den 21-Jährigen in den kommenden dreieinhalb Jahren zum Kraftfahrzeug-Mechatroniker ausbilden. So steht es in dem Vertrag, den der Flüchtling vor einigen Wochen unterschrieben hat. Ahmad kennt die Werkstatt im Magdeburger Silberbergweg. Sechs Wochen hatte er seinen Kollegen bereits als Praktikant über die Schulter geschaut. Dabei hat er einen hervorragenden Eindruck hinterlassen, sagt Eckhardt Krella, Senior-Chef der Ford-Werkstatt im Nordwesten der Landeshauptstadt.

918 Auszubildende wie Ahmad haben am 1. August ihre Lehre in einem der Handwerksbetriebe im Kammerbezirk Magdeburg begonnen. Die Handwerkskammer erkennt einen leichten Aufwärtstrend, schließlich seien das etwas mehr Lehrverträge als im Jahr zuvor. Dennoch gilt: Wer die Schule hinter sich hat und keine akademischen Träume hegt, ist in diesen Wochen auf dem Arbeitsmarkt begehrt. Noch immer gibt es im nördlichen Sachsen-Anhalt rund 140 freie Lehrstellen. Bedarf gebe es vor allem bei Anlagemechanikern für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Kraftfahrzeugmechatroniker, Metallbauer und Elektroniker. Handwerksbetriebe haben seit Jahren Probleme, genug Nachwuchs für die Lehrstellen zu finden.

Eckhardt Krella bewegt seine Hand gut einen halben Meter über den Tisch: So einen Stapel Bewerbungen habe es früher gegeben, erzählt er. Heute hat sein Betrieb sieben Auszubildende unter Vertrag. Der junge Syrer Ahmad will lernen. An seinem ersten Tag hat er Reifen und Bremsen gewechselt, natürlich unter Aufsicht eines erfahrenen Mitarbeiters. „Schon als Kind liebte ich Autos“, erzählt Ahmad in passablem Deutsch. Früher, in einem Dorf bei Aleppo, habe seine Familie einen roten Nissan gefahren. Seine Eltern leben noch heute dort. Ahmad machte sich in den Wirren des Krieges auf den Weg, floh in die Türkei, von dort mit dem Boot nach Griechenland und schließlich weiter landwärts Richtung Deutschland. Heute lebt Ahmad mit seinem Bruder in Magdeburg. Autohaus-Boss Krella spekuliert darauf, dass Ahmad auch nach seiner Lehre in Sachsen-Anhalt bleibt. „Es ist wichtig für uns Mitarbeiter auszubilden, die im Betrieb bleiben. Mechatroniker sind auf dem Markt schwer zu bekommen“, sagt er.

Eine ähnliche Geschichte kann auch Michael Wiedemann erzählen. Das Objekt seiner Begierde sind allerdings Zahntechniker. Ein junges Talent hat gerade in seinem Betrieb angefangen. Der Russe Daniil Iarovoi ist seit fünf Jahren in Deutschland. Wiedemann führt den Azubi an seinem ersten Tag durch die Labore.

Daniil wird in den kommenden Jahren lernen, Gebiss-Abdrücke von Patienten so zu bearbeiten, dass schließlich ansprechende Modelle daraus entstehen. Chef Wiedemann wird dem jungen Mann auch beibringen, Zahnersatz wie Brücken oder Kronen zu formen. Die Fähigkeiten dafür hat Daniil, glaubt sein Chef. Als angehender Zahntechniker wird der 18-Jährige in den kommenden Jahren vor allem Fingerfertigkeit beweisen müssen.

Leon Lücke ist erst 16. In diesem Sommer hatte er seinen Realschul-Abschluss in der Tasche. Gestern beginnt seine Ausbildung in einer Wohnung in der Magdeburger Otto-von-Guericke-Straße. Leon wird in den kommenden drei Jahren von Frank Dahlke zum Fliesen-, Platten- und Mosaikleger ausgebildet. An seinem ersten Tag hat er bereits eine Platte, auf der später die Fliesen montiert werden, an der Wand angebracht. Der Azubi hat ordentlich gearbeitet, deswegen ist jetzt das Loch für die Rohre auch dort, wo es sein soll. Leon bekommt das erste Lob vom Chef.

Doch nicht nur die praktische Arbeit wird über den Erfolg der Lehrzeit bei Fliesenleger Leon, Zahntechniker Daniil und Mechatroniker Ahmad entscheiden. Auch die harten Bänke der Berufsschule werden die drei Azubis drücken müssen. Ahmad hat in den vergangenen Wochen bewiesen, dass Lernen für ihn kein Problem ist: Der junge Syrer paukt derzeit für den Führerschein. Die theoretische Prüfung hat er bereits bestanden.