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Autobahnkirchen Spirit statt Sprit tanken in Sachsen-Anhalt

Von 44 Autobahnkirchen in Deutschland stehen vier in Sachsen-Anhalt, etwa in Brumby (Salzlandkreis). Im Jahr kommen bis zu 5000 Besucher.

Von Steffen Honig 19.07.2018, 02:00

Brumby l Die Kirche von Brumby wurde zu einer Zeit errichtet, in der selbst die Postkutsche noch eine Utopie war. Ins 11. Jahrhundert ordnet Gottfried Eggebrecht den Bau des Sakralbaus am Kantorberg des Dorfes zeitlich an. Die typischen Rundbögen der Romanik sind an den Fenstern und vermauerten Elementen an der Außenwand auszumachen.

Eggebrecht, Pfarrer im Ruhestand, lädt am sonnigen Montagvormittag in die kleine Sitzgruppe im Schatten der Bäume des Kirchhofes ein. Es ist nicht viel los – weder im Dorf noch in der Autobahnkirche. An einer Straßenbaustelle schwitzen die Arbeiter, das Müllauto fährt um die Ecke.

Zwei Kilometer weiter westlich dröhnt und rauscht der Autobahnverkehr auf der A  14. Die Strecke zwischen Magdeburg und Halle ist vierspurig, könnte aber längst einen weiteren Ausbau vertragen. Baustellen, Unfälle und Staus gibt es reichlich – mit all den allgemein nervigen Begleitumständen.

Eine Autobahnkirche soll für die solcherart gestressten Fahrer und Mitfahrer ein zusätzlicher, geistlicher Ruhepunkt sein. In der Regel ohne feste Zeiten der Andacht. Dafür sind jedoch die Türen von St. Petri in Brumby sommers von früh 8 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet. Schließtage gibt es nicht. So ist es Vorschrift für alle Autobahnkirchen.

Ein üppiger Gästestrom ist es freilich nicht, der durch die Autobahnkirche nach Brumby mit seinen knapp 1000 Einwohnern fließt. Es tröpfelt eher. Eine exakte Besucherzahl kann Eggebrecht nicht angeben, es gibt keine Statistik. „So um die zehn Leute am Tag“, schätzt der Pfarrer im Ruhestand. Manchmal würden sich Gruppen gleich busweise anmelden, die eine Andacht im alten Gemäuer abhielten. Der Ex-Pfarrer rechnet hoch und kommt auf jährlich 3000 bis 5000 Gäste, „eher wohl an den 5000“.

Mit dem Titel „Autobahnkirche“ schmückt sich St. Petri seit zwölf Jahren. Gottfried Eggebrecht schildert den Weg dahin : „Als ich 1990 als Pfarrer nach Brumby kam, gab es keine offenen Kirchen. Das änderte sich 1999, als wir übereinkamen, die Kirche jeden Tag aufzuschließen. 2006 wurden wir dann Autobahnkirche.“ Und somit Teil eines Netzwerkes, das sich – von den Versicherern im Raum der Kirchen geknüpft und gepflegt – über die gesamte Republik erstreckt. Von den 44 Autobahnkirchen derzeit sind 19 evangelisch, 8 katholisch und 17 ökumenisch getragen. Zum Spirittanken nach Bedarf.

Die Dichte ist sehr unterschiedlich. Während sich im Ruhrpott oder im Rhein-Main-Gebiet eine Vielzahl von Kirchen an der Autobahn reiht, sollten Gläubige in den norddeutschen Ländern der Republik ihr Gebet besser vor Antritt der Fahrt verrichten.

Die Kirche in Brumby ist zwar evangelisch, doch für jeden offen, wie Eggebrecht betont. Das hat seinen Urspung schon in der DDR, wo die damalige Katholische Kirchengemeinde mangels eigenen Gotteshauses die Kapelle für ihre Gottesdienste ebenfalls nutzen durfte. Ökumene ganz unproblematisch. Später wanderte die Katholische Gemeinde ins nahe Calbe an der Saale ab. Katholiken kommen jetzt eher von weit her, im Gästebuch etwa an italienischem Dank und Schutzwünschen erkennbar. „Ob evangelische Christen, Katholiken, Orthodoxe oder Touristen – uns sind alle willkommen“, sagt Eggebrecht.

Edith Heine wohnt in Sichtweite der Brumyer Kirche auf dem Kantorberg. Die Seniorin rollt gerade die geleerten Mülltonnen wieder auf den Hof. Ja, die Kirche sei schon etwas Besonderes in Brumby, sagt die Rentnerin. „Vor ein paar Wochen war das Kirchhoffest, was meinen Sie, war hier los war. 500 Leute!“ Sie selbst singe im örtlichen Kirchenchor, da sei im Herbst ein Gospelkonzert dran. Die Besucher, die das Schild an der Autobahn zur Kirche von Brumby lockt, registriert sie mit Wohlwollen. „Was die so denken, können wir im Gästebuch lesen.“

Dass eine Autobahnkirche ein historisches Gewand trägt, ist die typisch ostdeutsche Variante dieses Hortes innerer Einkehr. In Westdeutschland wurden neue Kapellen gern an Parkplätzen und Raststätten entlang der Schnellstraßen errichtet – im Osten stehen diese Kirchen oft mitten im Dorf.

Entspannung, Besinnung und Andacht zu bieten ist das erklärte Ziel der Autobahnkirchen-Bewegung. Der 57-jährige Theologe Eggebrecht ann dies nur unterschreiben. Er spricht von einer „Tankstelle der Seele“. Jeder finde etwas. Das reiche von alter Kunst (die hat die Brumbyer Kirche reichlich) bis zur Nähe Gottes. Und der Kirchhof sei paradiesisch, oder? Recht hat er.

Wer diese Erfahrung teilen möchte, ist am kommenden Sonntag herzlich eingeladen. Um 14 Uhr wird es in Brumby eine Andacht geben. Wie in 43 weiteren Kapellen – am deutschlandweiten Tag der Autobahnkirchen.