1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Ost-Autos für die Leinwand

EIL

Automobile Ost-Autos für die Leinwand

Matthias Dietz aus Wolfen verleiht seit drei Jahren Ost-Oldtimer an Produktionsfirmen.

Von Bernd Kaufholz 08.05.2018, 01:01

Wolfen l Matthias Dietz fährt die Ostalgie pur aus der Großgarage am Rande von Wolfen (Anhalt-Bitterfeld). Das viele Jahre nicht gehörte Zweitaktknattern scheppert über den rissigen Beton des Hofes. In der Luft kräuseln sich die charakteristischen Gemisch-Abgase. Der 42 Jahre alte Autohändler stellt die Autos mit DDR-Vergangenheit im Halbkreis auf: Bewerbungsfoto für kommende Filmdrehs – für Produktionen, die während DDR-Zeiten oder kurz nach der Wende spielen.

„Es kommt natürlich darauf an, dass Handlungs-Zeit und Kfz-Model übereinstimmen“, sagt Dietz. Und er weiß, dass es schon den einen oder anderen Schnitzer gegeben hat. „Da fuhr ein Wartburg durchs Bild, der Anfang der 1960er Jahre spielte. Dumm nur, dass der 353er erst ab 1966 gebaut wurde.“ Ein Film-Fehler wie die berühmte Armbanduhr am Handgelenk eines Gladiators. „Nur, dass der Auto-Patzer höchstens eingefleischten DDR-Kfz-Kennern aufgefallen ist.“

Seit gut drei Jahren ist der Wolfener eine gute Adresse, wenn es darum geht, Altautos mit DDR-Stallgeruch zu verleihen. Und das kam so: „Ich habe einen Bekannten, der ist im Dessauer Oldtimerclub. Er hatte mir erzählte, dass die Filmemacher von ,Als wir träumten‘ einen BMW E 30, Baujahr 1983, suchten.“ Die Handlung des Films spielt in der frühen Nachwendezeit. Eine Jugendbande klaut in Leipzig Autos und gründet später eine Diskothek.“

Dietz besorgte den „Bayern“, hievte ihn auf einen Hänger und brachte ihn zum Drehort nach Leipzig. Dort gab es dann mehrere Drehtermine. Das gute Stück war ganze fünf Minuten im Film zu sehen.

Und weil das mit dem BMW so gut geklappt hatte, steuerte er für den Streifen, der offizieller Wettbewerbsbeitrag für die Berlinale war, gleich noch einen Mercedes 123 bei. „Weil noch ein Taxi dieses Typs gebraucht wurde.“

Es sprach sich in der Filmszene herum, dass es in Wolfen einen Oldtimer-Verrückten gibt, der (fast) jeden Auto-Wunsch erfüllen kann.

„Die Sache wurde irgendwie zum Selbstläufer“, schmunzelt Dietz und streicht liebevoll mit der Hand über den Kotflügel des weinroten Lada 1200 S. „Aber reich werden, kann man damit nicht“, stellt er sofort klar. „Meine Brötchen verdiene ich nach wie vor als Autohändler.“

„Benzin im Blut“ habe er schon immer gehabt“, erzählt er. „Ich war zehn Jahre lang Kfz-Mechaniker, ehe ich 2004 ins Autogeschäft eingestiegen bin.“

Lada 1200 S, Moskwitsch 2140 oder der Citroën GSA Pallas – ein sogenannter Genex-Wagen, der nur für Westgeld zu haben war – stehen neben dem gelben 253er Wartburg und dem Zastava 1100. Eingerahm in der Mitte mit dem Phantasiekennzeichen IDA 2-64 die schwarze Regierungslimousine.

Eine blaue Rundumleuchte auf dem Dach, ein Schild mit der Aufschrift „Freie Fahrt“ an der Frontscheibe und wie es sich für ein DDR-Regierungsfahrzeug gehört: Schwarzrotgold, Hammer, Zirkel, Ährenkranz über den vorderen Scheinwerfern.

Der Volvo, Baujahr 1977, ist eines der wenigen Autos aus dem Wolfener „Stall“, der noch keine Filmerfahrung hat. Und wer darin bis 1990 chauffiert wurde, ist nicht verbürgt. Alles sei noch original, so Dietz: „Telefon, elektrische Fensterheber, Klimaanlage. Damit Honecker und Co. es auch recht bequem hatten, war der „Schwede“ um einen knappen Meter verlängert worden.

„Es ist Blödsinn, wenn Sammler behaupten: Das ist Honeckers Volvo gewesen. Oder in dem ist Mielke unterwegs gewesen.“ Bei einem der jährlich stattfindenden Treffen der Sammler von DDR-Regierungsfahrzeugen habe 2017 ein ehemaliger Leibwächter von Partei-Chef Honecker die Sache klargestellt. „Er hat gesagt, dass die Autos nicht personengebunden waren. Der Fuhrparkleiter hat sie für die täglichen Fahrten eingeteilt.“

Gut möglich, dass im Dietz-Volvo einer der ganz Wichtigen gesessen hat und von Wandlitz nach Berlin gefahren wurde. Auf der Rückbank, wo heute Eine „junge Welt“, „Das Volk“ und eine „Lausitzer Rundschau“ mit Honecker-Bezug liegen.

Am neuesten Bully-Herbig-Film „Ballon“, der im September 2018 in die Kinos kommt und die spektakuläre Ballon-Flucht einer Thüringer Familie mit dem Heißluftballon in den Westen schildert, hat die Wolfener Sammlung mit ihren 15 Fahrzeugen eine Aktie. Dabei rollen nämlich ein Lada und ein Zuk – ein olivfarbener polnischer Kleintransporter – durchs Bild.

Doch nicht nur fürs Kino arbeitete der 42-Jährige. Auch einige TV-Produktionen tragen, zwar oft nur seinen kleinen, wenn auch wichtigen, Stempel. So der ZDF-Mehrteiler „Ku‘damm“ und die ARD-Serie „Weissensee“.

Und es sind nicht nur die osteuropäischen Autos, die im Film eine Rolle spielen, auch Matthias Dietz stand schon – oder besser fuhr – schon, wenn auch unerkannt, durch die Kulissen. „Meine motorisierten Zeitzeugen müssen schließlich von A nach B bewegt werden“, sagt er.

Arbeit am Set sei „schon spannend“, fügt er an. „Aber auch ein bisschen verrückt, wenn bis zu 100 Statisten für eine Aufnahme bereitstehen.“

Es werde von jedem „absolute Zuverlässigkeit“ erwartet – von Mensch und Material. Deshalb könne er sich nichts Schlimmeres vorstellen, als dass eines seiner Autos nicht anspringt, wenn es darauf ankomme.

Für die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Eugen Ruge „In Zeiten abnehmenden Lichts“ – Kinostart war der 1. Juni 2017 – steuerte der Wolfener seinen Citroën GSA Pallas, den Mazda und den Zastava bei. Die Handlungsorte sind die russische Kleinstadt Slawa am Ural und Ostberlin im Herbst 1989.

Der Mazda 323 sei für den normalen DDRler „unerreichbar“ gewesen, sagt Dietz. Obwohl 1981 im Rahmen eines Staatsbesuchs der DDR-Partei- und Staatsführung mit Japan ein weitreichendes Handelsabkommen geschlossen worden war, das auch die Lieferung von 10.000 Mazda 323 einschloss.

Angefangen habe seine Sammelleidenschaft mit einem Lada. „Der Wagen, Baujahr 1981, war total in Schuss und sollte in die Schrottpresse, weil nach der Wende kaum noch jemand Ost-Autos fahren wollte. Da hat mein Herz geblutet, und ich habe ihn gekauft.“

Dass er Jahre später mit einem älteren Citroën-Modell innerhalb der TV-Sendung „Kripo live“ bei einer Fahrerflucht-Fahndung mithelfen sollte, das wusste Matthias Dietz damals noch nicht.