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Bahnfahrt Unbequemer Nachtzug nach Freiburg

Unser Gastautor aus London berichtet über sein Leben in Sachsen-Anhalt und die Fahrt mit einem Nachtzug von Magdeburg nach Freiburg.

Von Paul Kilbey 24.03.2019, 00:00

Magdeburg l Ich schreibe meine heutige Kolumne, lieber Leser, in einem Nachtzug. Und zwar in den frühen Morgenstunden. Ein Mann liegt mir gegenüber. Er hat es sich auf drei Sitzen der Kabine bequem gemacht. Er schläft tief, den Kopf in seiner Jacke begraben. Ab und zu schnarcht er. Und ich? Ich konzentriere mich darauf, ihn nicht aufzuwecken.

Und dann niese ich fast. Puh, das war knapp.

Ich bin auf dem Weg nach Freiburg. Eine Stadt, die – so viel weiß ich jetzt – ziemlich weit weg ist. Mein Zug hat Magdeburg um etwa 23 Uhr abends verlassen und ich werde erst um kurz nach 6 Uhr morgens mein Ziel erreichen. Ein Nachtzug war nicht meine erste Wahl, aber er hat nur halb so viel gekostet. Und – um noch mehr Geld zu sparen – habe ich keine Einzelkabine gebucht. Überhaupt habe ich die ganze Aktion nicht gut durchdacht. Bis ich ahnungslos die Kabinentür öffnete, den schlafenden Mann dort liegen sah und mir der Geruch von Alkohol in die Nase stieg. Bevor ich die Reise gebucht habe, wusste ich noch nicht einmal, dass es eine direkte Verbindung von Magdeburg nach Freiburg gibt. Doch die gibt es – der Österreichischen Bundesbahn sei Dank. Dabei ging mein Zug noch nicht einmal nach Österreich. Sondern nach Zürich.

Die Endstation meines Zuges ist ein weiterer Grund dafür, dass ich lieber wach bleibe und das hier schreibe anstatt zu schlafen (der erste Grund ist natürlich das laute Schnarchen meines Sitznachbarn). Ich habe zu sehr Angst davor, meinen Halt zu verschlafen und in der Schweiz zu landen. Denn meine Chancen, Schweizerdeutsch zu verstehen, gehen gegen null. Insgesamt zählt die nächtliche Zugreise nicht zu den großartigsten Erfahrungen, die ich bisher hier sammeln durfte. Doch es ist noch immer besser, als eine Zugreise in Großbritannien.

Britische Züge … die vermisse ich überhaupt nicht. Sie sind bekannt dafür, unpünktlich, teuer und dreckig zu sein. Ihr wollt euer Geld nutzlos auf den Kopf hauen? Dann bucht einfach eine extralange Zugreise in Großbritannien. Wenn ihr nicht ganz masochistisch seid, dann gebt noch mehr Geld aus und bucht euch ein Ticket für die 1. Klasse. Dann bekommt ihr Sitze, die zumindest fünf Prozent gemütlicher sind als die normalen. Und obwohl euer Platz dann genauso dreckig sein wird wie die anderen, befindet er sich vielleicht nicht direkt gegenüber einer enorm stinkenden Toilette. Außerdem könnte es sein, dass ihr einen gratis Keks bekommt.

Der Nachteil: In einigen Zügen wird es schwierig sein, den Erste-Klasse-Bereich überhaupt zu erreichen, weil die Gänge so vollgestopft sind mit Menschen, die keinen Platz mehr bekommen haben. Natürlich ist nicht jeder Zug in Großbritannien so furchtbar. Doch wie schlimm es euch trifft, ist hart vorherzusehen. Während die Deutsche Bahn in Deutschland den Markt dominiert, gibt es in Großbritannien ein kompliziertes Netzwerk an privaten Bahnanbietern. Ein System, das einfach nutzlos ist. Denn ich glaube kaum, dass jemand jemals nur einen bestimmten Zug genommen hat, weil er den Anbieter so mochte. Wichtiger ist ja wohl, wohin der Zug fährt, wann er ankommt und wie viel er kostet. Dass jemand, der eigentlich nach Edinburgh wollte, doch nach Cardiff fährt, weil ihm das Unternehmen besser gefällt, habe ich noch nie gehört.

Trotzdem bleibt dieses suboptimale System wohl ein Weilchen bei uns bestehen. Denn ich glaube kaum, dass ein Thema, das nicht direkt etwas mit dem Brexit zu tun hat, die Politiker in nächster Zeit beschäftigen wird. Währenddessen zeige ich mich dankbar. Ja, ich reise quer durch Deutschland und teile die Kabine mit einem fremden Mann, der betrunken ist.

Aber hey: Wenigstens sitze ich nicht in einem britischen Zug.

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