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Berateraffäre 16 Seiten, 47.600 Euro, viele Fragen

Das Finanzministerium weiß nicht, wie ein Beratungskonzept eines SPD-Wahlkampfmanagers im eigenen Haus umgesetzt wurde.

27.04.2017, 23:01

Magdeburg l Um einen rätselhaften Beratervertrag für das Finanzministerium tauchen immer weitere Ungereimtheiten auf. Recherchen der Volksstimme werfen die Frage auf, ob für die 47.600 Euro im Jahr 2011 tatsächlich eine angemessene Gegenleistung erbracht wurde. Der damalige Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) hat das bejaht. Doch ein Sprecher des jetzt CDU-geführten Finanzressorts konnte diese Frage am Donnerstag nicht beantworten. „Die Beratung des Herrn Kronacher zielte nach unserer Aktenlage allein auf den Minister und nicht auf das Finanzministerium und seine Bereiche ab“, sagte er.

Im Untersuchungsausschuss des Landtags zu den Beraterverträgen war am Montag bekannt geworden, dass der renommierte Kommunikationsberater Michael Kronacher, der 2010/2011 die SPD und ihren Spitzenkandidaten Bullerjahn im Landtagswahlkampf beriet, kurz danach einen 47.600-Euro-Auftrag für das Finanzministerium erhalten hatte. Abgeordnete befürchten, dass Bullerjahn einem Wegbegleiter bewusst einen lukrativen Vertrag zugeschustert hat.

Der SPD-Mann erklärte im Ausschuss, dass er die Beauftragung Kronachers über die Landes-Investitionsbank und das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung in Halle in die Wege geleitet hatte. Auf diese Weise umging Bullerjahn den Finanzausschuss. Im Ministerium wird erzählt, dass es sich um einen Alleingang Bullerjahns gehandelt habe. „Er hat es gewollt, er hat es gekriegt“, heißt es.

Kronacher sollte eine „neue Kommunikations- und Eventstrategie zum „finanzpolitischen Dialog“ entwickeln. Einen „Profi“ habe er gebraucht, sagte Bullerjahn. Das Geld für Kronacher sei „gerechtfertigt“ gewesen. Laut Bullerjahn war dieser „sehr viel“ vor Ort, er habe „viel geschrieben“ und „viel gesprochen“, so der Ex-Finanzminister am Montag.

Viel geschrieben? Der Volksstimme liegt ein Kronacher-Konzept vor. Es umfasst gerade einmal 16 Seiten – inklusive Deckblatt. Eigentlich sollte das Papier der Hausspitze neue Impulse für wirtschafts- und finanzpolitische Fragen liefern, eine Vorlage sein für öffentliche Auftritte der Hausspitze. Doch Neues fördert das Konzept kaum zutage. Im Gegenteil: Es werden lediglich bekannte Fakten in gut klingende Worthülsen verpackt.

Kronachers strategische Kerngedanken bestehen vor allem aus Phrasen: In der Kommunikation nach außen könne das Finanzministerium nach der europäischen Finanzkrise auf ein „weithin ausgeprägtes Problembewusstsein und vorhandene Grundeinsicht in die Notwendigkeit einer nachhaltigen Finanzpolitik“ bauen.

Auch die Art und Weise, wie die Hausspitze bei der Vermittlung ihrer finanzpolitischen Ziele vorgehen soll, überrascht nicht. Mit einem „betont sachlichen Kommunikationsstil“ solle der „reflexartigen Abwehr von Einsparzielen konstruktiv begegnet“ werden.

Da in den nächsten Jahren viele öffentliche Mittel wegfallen würden, müsse Sachsen-Anhalt ab 2020 finanziell auf eigenen Füßen stehen, lautet eine der längst bekannten Kernbotschaften. Und: Dieser Weg sei „anstrengend und anspruchsvoll“, aber ein „lohnendes Ziel“. Kronacher rät deshalb zu einem einfachen Werbeslogan: „Die Zukunft meistern“. Broschüren sollen gedruckt, eine Website mit „Informations-, Service-, und Dialog­angeboten“ gestartet werden.

Ob es dazu jemals gekommen ist? Auch diese Frage kann das Finanzministerium im Moment nicht beantworten. Olaf Meister (Grüne), der Vorsitzender des Finanzausschusses ist, sagte: „Der Verdacht liegt nahe, dass das Konzept nie umgesetzt wurde.“

Das Kommunikationskonzept zum „finanzpolitischen Dialog“ ist nicht das erste aus der Zeit Bullerjahns, das für Verwunderung sorgt. Im Zusammenhang mit einem 80.000-Euro-Vertrag hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg bereits ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet. Dabei geht es um den „Immobiliendialog 2020“, der helfen sollte, Gebäude des Landes und der Kommunen zu vermarkten. Die neue CDU-Ministeriumsspitze hat erhebliche Zweifel, ob tatsächlich Leistungen erbracht wurden, die der Vergütung angemessen sind.