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Berateraffäre Von Druck, Konfrontation und Lügen

Der Untersuchungsausschuss des Landtags Sachsen-Anhalt zu Beraterverträgen hat sich erneut mit millionenschwerer Auftragsvergabe befasst.

Von Michael Bock 06.10.2018, 01:01

Magdeburg l Ute Wanzek, von einem Rechtsanwalt begleitet, las mit brüchiger Stimme eine etwa 45-minütige Erklärung vor. Die öffentliche Debatte um den Millionen-Auftrag für ihre Firma „Wanzek-Consult“ (Magdeburg) habe „diffamierenden Charakter“. Sie sprach von „öffentlich verbreiteten Unwahrheiten“. Ihr Ruf werde diskreditiert, das Geschäft ruiniert. „Ich befinde mich in einer Existenzkrise“, sagte sie. Dem seit 2016 von Anne-Marie Keding (CDU) geführten Justizministerium warf sie „Vertragsbruch“ vor.

In der Sache geht es um einen 2015 geschlossenen 1,9-Millionen-Euro-Vertrag mit der „Wanzek-Consult“. Auftraggeber war das Ministerium für Justiz und Gleichstellung unter SPD-Ministerin Angela Kolb-Janssen. Thema: die Gleichstellung von Mann und Frau. Nach der Landtagswahl 2016 erfuhr die neue Ministerin Keding von dem Vertrag. Sie kritisierte, dass der Finanzausschuss des Landtags Sachsen-Anhalt umgangen wurde. Das rügte auch der Landesrechnungshof.

Bei Beraterverträgen mit einem Volumen ab 20.000 Euro muss der Landtag von Sachsen-Anhalt eingeschaltet werden. Das nun CDU-geführte Ministerium kündigte den Vertrag zum Jahresende 2017.

Die Befragung von Zeugen, die bis in die frühen Abendstunden reichte, erlaubte einen Blick in die Kulissen des 2001 gegründeten Gender-Instituts Sachsen-Anhalt (Gisa). Dort waren Ute Wanzek und Thomas Claus Geschäftsführer. Für das Land übernahmen sie Aufträge, die sich mit der Gleichstellung von Mann und Frau befassten. Doch die Partner überwarfen sich, es kam zur Trennung.

Thomas Claus rückte im Untersuchungsausschuss den damaligen Justizstaatssekretär Thomas Wünsch (SPD) in den Fokus. Wanzek habe es 2014 sehr eilig gehabt, das Gisa als Partnerin zu verlassen. Zuvor habe es ein Gespräch Wanzeks mit Wünsch gegeben, von dem ihm die heute 64-Jährige berichtet habe. „Er hat ihr anheim gestellt, sich von mir zu trennen.“ Wenn sie das tue, sei die Chance recht groß, dass sie den nächsten Auftrag des Landes bekommen werde. Wanzek sei somit einem gewissen Druck ausgesetzt gewesen, hinter dem eine „politische Macht“ gestanden habe.

Fühlte sie sich tatsächlich unter Druck gesetzt? Hat das Ministerium die Trennung erzwungen? Wanzek widersprach vehement: „Das ist eine Lüge.“ Zugleich erklärte sie, im Ministerium sei gesagt worden, dass man keine Aufträge mehr ans Gisa vergeben werde, weil man mit Herrn Claus nicht verlässlich arbeiten könne. „Und da hatten sie Recht.“ Sie habe sich dann aus persönlichen und fachlichen Gründen getrennt. „Es ging nicht mehr. Mit Herrn Claus will keiner arbeiten.“ Er sei zwar ein „brillanter Fachmann, aber er ist unzuverlässig. Wir haben deswegen Aufträge und Partnerschaften verloren. Das hat unserem Ruf geschadet.“ Mit der Trennung, so formulierte sie es, „habe ich meine Kompetenzen in Sicherheit gebracht“.

Claus selbst räumte ein, dass die Zusammenarbeit mit dem Justizministerium „konfrontativ“ gelaufen sei. Der Diplom-Soziologe nannte das Haus „beratungsresistent“, Mitarbeiter bezeichnete er als „unreif“. Es gab juristische Auseinandersetzungen. Er machte immer wieder deutlich, was er von der Arbeit des damaligen Justizstaatssekretärs Wünsch hielt: rein gar nichts.

Wünsch war bereits im August als Zeuge gehört worden – und hatte sich mit Blick auf den Millionenvertrag erstaunlich ahnungslos gezeigt. „Die Gedächtnislücken von Herrn Wünsch haben mich gewundert“, sagte Claus. „Er war sehr stark in das Thema involviert.“

Im Januar 2015 gründete Ute Wanzek die „Wanzek-Consult“. Für den Millionenauftrag, der im Dezember unterzeichnet wurde, war ihre Firma der einzige Bewerber. Der Landesrechnungshof hatte unter anderem überhöhte Preise gerügt. Wanzek widersprach energisch: „Ich habe nicht teuer kalkuliert.“

Alles rund um die Berateraffäre in der Landesregierung Sachsen-Anhalt gibt es in einem Dossier.