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Beraterverträge Ex-Ministerin erinnert sich nicht

Neues Kapitel in der Debatte um zweifelhafte Beraterverträge.

Von Michael Bock 08.09.2016, 01:01

Magdeburg l Nach den Volksstimme-Berichten zu Beraterverträgen, Gutachten und Studien wird jetzt in Ministerien genau hingeguckt, was in der Vergangenheit so alles wie gelaufen ist. So handhabte es auch die neue Ministerin für Justiz und Gleichstellung, Anne-Marie Keding (CDU). Und stieß schnell auf einen Beratervertrag, der am 9. Dezember 2015 zwischen dem Land und der „Wanzek Consult“ (Magdeburg) geschlossen worden war. Auftraggeber: das seinerzeit von Angela Kolb-Janssen (SPD) geführte Ministerium für Justiz und Gleichstellung.

Nach einer ersten Prüfung kommt Keding zum Ergebnis, dass der 1,9-Millionen-Euro-Vertrag unterschrieben wurde, ohne zuvor das Parlament und die Staatssekretärskonferenz einzubinden. Beiden, so Keding, hätte der Vertrag aber vorgelegt werden müssen.

Damit ergibt sich eine Parallele zu Vorgängen im Finanzministerium, die Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) wackeln lassen. Er hatte als Finanz-Staatssekretär im November 2013 eine Unterschrift unter einen 6,3-Millionen-Euro-Vertrag mit der Investitionsbank gesetzt hat. Interne Unterlagen legen nahe, dass das Parlament ausgetrickst wurde. Die Angelegenheit war im Finanzministerium schon frühzeitig Chefsache. Auch Felgner war bereits Monate vor der Vertragsunterzeichnung aktiv in den Vorgang eingebunden. Spitzenbeamte aus dem Finanzressort hatten bereits frühzeitig und eindringlich warnten, den Finanzausschuss zu umgehen.

Jetzt also das Justiz- und Gleichstellungsministerium. Angela Kolb-Janssen, die nach der Landtagswahl das Ministeramt verloren hatte und nun Landtagsabgeordnete ist, gibt sich unwissend. „Mir sagt das gar nichts“, beteuert sie im Volksstimme-Gespräch. „Der Vorgang ist mir im Moment nicht erinnerlich. Ich habe keine Möglichkeit, in die Unterlagen hineinzugucken.“ Und, noch einmal: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Vorgang in dieser Größenordnung über meinen Tisch gelaufen ist.“

Ihre Nachfolgerin im Amt erwägt nun, den Vertrag zu kündigen. Auch, weil ihr die von „Wanzek Consult“ zu erbringenden Leistungen zu wenig konkret formuliert seien, wie es intern heißt. Der Auftragnehmerin, so wurde im Dezember vereinbart, werde die Durchführung des Projekts „Umsetzung von Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter-Gender Mainstreaming“ übertragen.

„Wanzek Consult“, deren Inhaberin seit 2015 Ute Wanzek ist, gibt unter anderem als „Expertise“ an: „Beratungstätigkeit zur Gestaltung von Organisations- und Personalentwicklungsprozessen, insbesondere mit dem Schwerpunkt der systematischen Integration von Geschlechteraspekten und Geschlechtergleichstellung in Prozessabläufe von Organisationen, Verwaltung, Unternehmen und Projekte. Implementation von Gender Mainstreaming in Politik, Verwaltung, Unternehmen und NGO´s.“

Erstaunt hat Neu-Ministerin Keding registriert, dass die Auftragnehmerin offenbar ohne große Diskussionen eigene Finanzvorstellungen durchsetzen konnte. Erste Recherchen hätten ergeben, dass das das Honorar nach nur einem Gespräch im Sinne der Auftragnehmerin um etwa 30 Prozent gegenüber der ursprünglich kalkulierten Höhe festgesetzt worden sei. Und: Für den 1,9-Millionen-Auftrag soll nur ein Angebot abgegeben worden sein.

Es drängen sich jetzt viele Fragen auf. Wer genau im Ministerium hat mit welcher Zielrichtung das Landesverwaltungsamt beauftragt? Waren die Fachbeamten im Justizressort mit der Angelegenheit befasst? Warum wurde das Parlament umgangen? Wer hat das Gespräch mit der Auftragnehmerin geführt, das zu einem höheren Honorar führte? Wie wird die Erhöhung begründet?

Am 14. September wird sich der Finanzausschuss des Landtags nicht nur mit der Felgner-Affäre befassen, sondern auch mit der zweifelhaften Auftragsvergabe im Justizministerium.