1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. In der Grauzone

Bettensteuer In der Grauzone

Als erste Stadt in Sachsen-Anhalt führt Wittenberg die umstrittene Bettensteuer ein. Grund waren vor allem fehlende Alternativen.

Von Alexander Walter 07.12.2017, 00:01

Wittenberg l Eigentlich hatte Wittenberg ganz andere Pläne: Pünktlich zum auslaufenden Festjahr „500 Jahre Reformation“ wollte die Lutherstadt finanziell vom Touristenboom profitieren. Schließlich war die Innenstadt aufwendig hergerichtet worden. Auch mit Hilfen von Bund und Land wurden Museen und Kirchen saniert.

Mit einer "Kulturförderabgabe" sollten Besucher einen kleinen Teil der Investitionen zurückgeben. Doch es kam anders. Aus der Abgabe wurde nichts. Stattdessen führt die Stadt nun als erste in Sachsen-Anhalt 2018 die rechtlich umstrittene Bettensteuer ein. Die Steuer ist eine Geschichte fehlender Alternativen. Und das wiederum betrifft nicht nur Wittenberg.

Aber von vorn: Wer als Tourist in Wittenberg übernachten will, kommt ab April nicht mehr an der Bettensteuer vorbei. Fünf Prozent des Übernachtungspreises müssen Hotels und Gasthäuser dann an die Stadt abführen. Gäste müssen sich auf Zusatzkosten von 2 bis 3,50 Euro pro Nacht einstellen.

Nicht viel, mag man meinen, und doch ein negatives Signal an Besucher, meint Martin Linne, Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz.

Was der Stadt im ersten Jahr Mehreinnahmen von 112.000 Euro bescheren soll, sorgt auch beim Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) für reichlich Ärger: „Wir prüfen rechtliche Schritte“, sagt Landespräsident Michael Schmidt. Die Steuer sei ungerecht. Denn: Obwohl auch Cafés oder Läden vom Tourismus profitieren, solle allein das Gastgewerbe zahlen.

Mit dem Weg vor Gericht wäre der Verband nicht allein. Das Bundesverfassungericht befasst sich mit ähnlichen Klagen aus Bremen, Hamburg und Freiburg, wo es die Steuer schon länger gibt. „Das zusätzliche Abkassieren ist unnötig und unsinnig“, findet auch Ralf Seibicke vom Bund der Steuerzahler. Die Steuer bedeute mehr Bürokratie und könne zu einem Imageschaden führen.

Einwände wie diese sind in Wittenberg schon länger bekannt. Sie haben den gesamten Entscheidungsprozess begleitet, sagt Stadtsprecherin Doreen Raewel. Die Stadt habe den Dialog gesucht und Alternativen ausgelotet, betont sie. Tatsächlich erwog Wittenberg zunächst eine Kurtaxe. Das Problem: Um die Taxe kassieren zu können, müssen Städte in Sachsen-Anhalt die Anerkennung als „Kur- oder Erholungsort“ beantragen.

Wittenberg verzichtete, denn es erfüllte Kriterien wie eine besonders günstige klimatische Lage nicht. Als Lösung regte die Stadt beim Land an, die Anerkennungskriterien zu erweitern oder den neuen Titel „Tourismusort“ einzuführen. Das Wirtschaftsministerium lehnte unter anderem aus rechtlichen Gründen ab. Blieb als zweiter Weg die Tourismusabgabe für Unternehmen.

Doch auch sie schied aus. Denn Städte können die Abgabe laut Gesetz erst bei Übernachtungszahlen erheben, die die Einwohnerzahl um das Siebenfache übersteigen. Im Fall von Wittenberg mit gut 50.000 Einwohnern wären das mehr als 350.000 Gäste im Jahr. „Die erreichen wir nicht dauerhaft“, sagt Stadtsprecherin Raewel. – Im Reformationsjahr 2017 kamen bis August 200.000 Übernachtungsgäste.

Für Städte, die vom Tourismus profitieren wollen, bleibt damit oft nur die Bettensteuer. Andere Bundesländer sind da weniger strikt – etwa Sachsen, Brandenburg oder Baden-Württemberg. In Sachsen können neben Erholungsorten und Städten mit besonders vielen Gästen auch „sonstige Fremdenverkehrsgemeinden“ die Tourimusabgabe erheben.

In Sachsen-Anhalt bräuchte es dafür eine Gesetzesänderung. Die infrage kommenden Ministerien schieben sich die Zuständigkeit allerdings gegenseitig zu: Das Wirtschaftsministerium teilte mit, man stehe einer Gesetzänderung grundsätzlich offen gegenüber, das Innenministerium müsse aber einen entsprechenden Vorstoß initiieren. Das Innenministerium antwortete – kurz gesprochen – zuständig sei das Wirtschaftsministerium. Bewegung - so scheint es - ist vorerst kaum in Sicht. Das Gesetz bleibt, wie es ist.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Es gibt nicht nur Kritik an der Bettensteuer. Unabhängig von der rechtlichen Unsicherheit haben Städte in anderen Bundesländern gute Erfahrungen gemacht. Das thüringische Weimar etwa erhebt die Steuer seit 2005. Negative Auswirkungen auf die Zahl der Übernachtungsgäste seien ausgeblieben, berichtet ein Sprecher. Zahlen belegen das: Kamen 2014 noch 660.000 Gäste in die Kulturstadt, waren es 2016 fast 715.000. Die Steuer beschert der Stadt verlässlich Zusatzeinnahmen. 2016 lagen sie bei 575.000 Euro.

Nachahmer sind in Sachsen-Anhalt dennoch nicht in Sicht. Tourismushochburgen wie Quedlinburg (2016: 444.000 Übernachtungen) und Wernigerode (800.000 Übernachtungen) begnügen sich als anerkannte Erholungsorte mit der Kurtaxe. Auch Naumburg (2016: knapp 200.000 Übernachtungen) hat sich entschieden, diesen Weg zu gehen. Den Antrag auf Anerkennung als Erholungsort hat die Stadt bereits gestellt. Andere Städte wie Tangermünde verzichten lieber ganz. „Die Idee einer Abgabe haben wir verworfen“, sagt Kämmerin Dana Hinz. „Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis.“