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Breakdance "We Are Awesome" aus Magdeburg

Die Breakdancer von "We are Awesome" aus Magdeburg haben bei der Deutschen Meisterschaft in ihrer Heimat ein großes Ziel: den Titel.

Von Massimo Rogacki 12.03.2017, 00:01

Magdeburg l Der Wandspiegel wackelt. Markerschütternd donnern die Bass-Schläge durch den Probenraum. Ein junger Breakdancer mit roter Wollmütze stellt sich auf den Kopf und dreht sich. 13, 14, 15 Mal um die eigene Achse. Schneller und schneller. Fünf Jungs feuern ihn lautstark an: „Komm schon", rufen sie.

Das einstige Café „Stadt Prag“ an der Ernst-Reuter-Allee in Magdeburg ist die Trainingsstätte der Breakdance-Formation „We are Awesome“ (auf Deutsch so viel wie: Wir sind großartig) . Im Saal proben die elf- bis dreizehnjährigen Jungen für die deutsche Meisterschaft. Am Sonntag findet sie statt – erstmalig in Magdeburg, zum ersten Mal überhaupt in Ostdeutschland.

20, 21, 22 ... Der Breakdancer mit der roten Mütze hat endlich ausgedreht. Jeder Normalsterbliche würde sich jetzt fühlen wie nach einer Runde in einem Astronauten-Simulator. Max Hesse springt auf und tänzelt – ganz ohne Drehwurm – hinüber zu seiner Crew. Der Zwölfjährige trainiert seit sechs Jahren bei „We are Awesome“. „Breakdance ist für mich schon sehr wichtig“, sagt der Schüler aus Magdeburg. Seine Mitstreiter bezeichnen ihn einhellig als Schlaftablette – bis zu dem Moment, wo er zu tanzen beginnt ...

Zu den treibenden Klängen der Breakdance-Musik proben Max und seine Mitstreiter weiter. Die Choreografie mit den sogenannten Six-Steps, den Breakdance-Grundschritten, wirkt exakt aufeinander abgestimmt ... „Stopp“, ruft jemand aus dem Hintergrund. „Max, du bist zu schnell, guck auf Mo. Das ist viel zu überstürzt. Konzentriert euch gefälligst.“ Coach Nils Klebe legt darauf Wert, dass die Abläufe stimmen. Der 36-Jährige, weite Hose, Basecap, Brille mit dunklem Rand, hat seinen Jungs die Choreografie für die Meisterschaft auf den Leib geschneidert. Der gebürtige Salzwedeler ist selbst Breakdancer. 1999 hat er die „Da Rookies“ gegründet. Zunächst ein Hobby, wurden Klebe und seine Crew schnell professioneller, gewannen Europa- und Weltmeisterschaften und sind heute sogar international eine Größe. David Garrett etwa lässt sich bei Konzerten von den Breakdancern begleiten. Nils Klebe kann dank solcher Show-Auftritte und Sponsorings vom Tanzen leben. In der von ihm aufgebauten Tanzschule, der Movement Dance Academy in Magdeburg, sind mehr als 400 Mitglieder eingeschrieben. Allein 100 tanzen hier, klar: zu Breakdance-Musik.

Nils Klebe erinnert sich noch an seine Anfänge im heimischen Wohnzimmer, im Jugendclub oder auf Parkplätzen Anfang der 90er Jahre. „Breakdance war noch nicht so bekannt. Die Leute, die uns üben sahen, haben nur den Kopf geschüttelt. Die Jungs haben es da schon etwas leichter“, sagt der 36-Jährige.

Killian Behne (13) von „We are Awesome“ muss nicht auf Parkplätzen üben. Sein Trainer nennt den Magdeburger gern mal „den Schönling“. Diesen Spitznamen hat ihm seine Angewohnheit, alle paar Minuten seine blonde Tolle nachzujustieren, eingebracht. „Breakdance ist mein Leben“, bekräftigt er voller Stolz auf seine Lieblingsbeschäftigung - und fährt sich kurz darauf mit den Fingern durchs Haar. „Alles auf Anfang“, ruft Nils Klebe kurz darauf den acht Energiebündeln zu. Die Zeit rennt. Vor heimischer Kulisse soll – nach einem dritten Platz im vergangenen Jahr – der große Coup gelandet werden. Verbunden wäre der Sieg bei der deutschen Meisterschaft mit einer Qualifikation für die Europameisterschaft im österreichischen Graz. „Da wollen wir hin und das schaffen wir auch“, sagt Team-Captain Finn Carell (13). Dessen Spezialität ist der Electric Boogie, ein roboterähnlicher Tanzstil und einer der Klassiker im Breakdance. Ein Trumpf, ergänzt Finn, sei im Übrigen die Absage der Vorjahressieger, der Formation „Level Up“ aus Berlin. „Damit können wir auf jeden Fall leben“, meint auch Nils Klebe und grinst.

Dann fährt der Breakdance-Coach das dreiminütige Medley aufs Neue ab. Noch einmal zeigt Mützen-Max, wie er sich auf seinem Kopf dreht. Die anschließende Choreografie klappt jetzt flüssig. Daumen hoch dafür vom Coach. Kurz darauf entlässt er seine Schützlinge. Das geht natürlich nur mit dem obligatorischen Handschlag. Einmal abklatschen, Faust an Faust. „Wir sehen uns Sonnabend, pünktlich.“

Vor dem entscheidenden Wettkampf will Nils Klebe, dass sich seine Jungs vor Publikum beweisen. In einem Magdeburger Einkaufscenter stehen fünf Show-Auftritte an. Dramaturgisch machen wir eine Art Achterbahnfahrt, sagt der 36-Jährige „Auf dem höchsten Punkt geht‘s los, dann kommt ein ruhigerer Mittelpart und am Schluss hauen wir alles raus.“ Bei der deutschen Meisterschaft dann wird eine Jury nach den Kriterien Synchronität, Ausdruck und nach der kreativen Note der Teams, dem „Style“, bewerten.

Szenenwechsel, „Tag der Jugendweihe“ in einem Magdeburger Einkaufscenter. Der letzte Härtetest für „We are Awesome“. Max, Killian und die anderen warten auf ihren Auftritt. Eine Moderatorin redet etwas steif über Trends in der Jugendweihe-Mode, ein Zauberer zeigt Tricks, dann trällert noch ein Ex-„Voice of Germany“-Teilnehmer seinen jüngsten Hit. Endlich kommen „We are Awesome“. Einheitlich mit schwarz-rot karierten Hipster-Hemden bekleidet, trippeln die etwas nervösen Klebe-Schützlinge auf die Bühne, die hier nur ein schmaler Laufsteg ist. Doch mit dem ersten Bass-Schlag ist die Nervosität wie weggeblasen.

Max legt los, Headspinning. Im Publikum: ein Raunen. Äußerlich ungerührt, mit verschränkten Armen bauen sich die Crew-Mitglieder am Rande des Lauftstegs auf. Die überheblichen Posen sind fester Bestandteil der Breakdance-Kultur. Das Signal ans Publikum lautet: Wartet ab, das Feuerwerk hat gerade erst begonnen. Und den Gegnern sollen beim Anblick der ultracoolen Boys die Knie schlottern. „Beim Breakdance geht es auch immer darum, den Gegner zu zerstören“, sagt Nils Klebe und lächelt, weil er weiß, wie martialisch dieser Satz sonst klingen könnte.

Drei Minuten später haben „We are Awesome“ ihren ersten Auftritt gemeistert – trotz stumpfen Bodens und auf einem viel zu schmalen Laufsteg. Dafür unter lautem Jubel des Publikums. Insbesondere die Solonummern, der Headspin von Max, die Flickflacks von Marius oder Finns Electric Boogie kamen richtig gut an. „Die Jungs sind echt cool“, sagt ein junges Mädchen, das am Rande des Laufstegs den Auftritt verfolgt hat und nach diesem Satz rot im Gesicht wird.

Am Ende des Tages, den Breakdancern stecken fünf Auftritte in den Knochen, zieht ein erschöpfter, aber zufriedener Nils Klebe sein Fazit: „Die Jungs haben das klasse gemacht und sind mit den schwierigen Bedingungen gut klargekommen “, findet er. „Jetzt arbeiten wir noch etwas am Feinschliff und dann sind wir bereit.“

Im AMO in Magdeburg messen sich am Sonntag „We are Awesome“ mit Teams aus ganz Deutschland. Dann wird Max’ rote Mütze erneut rotieren, Killian wird sein Haar ordnen und Leader Finn die Truppe einschwören. Ob einer von ihnen einmal in die Fußstapfen von Breakdance-Crack Nils Klebe tritt? „Das wird sich zeigen. Einigen traue ich es zu“, sagt der mehrfache deutsche Meister. Und wenn es hauptberuflich nicht mit dem Breakdance klappt - wer sich wie Max dreht und dabei schwindelfrei bleibt, kann ja immer noch Astronaut werden.