1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Briten zögern beim deutschen Pass

Brexit Briten zögern beim deutschen Pass

Die Unklarheit um das Aufenthaltsrecht nach geplantem Austritt Großbritanniens wird für Betroffene auch in Sachsen-Anhalt zur Tortur.

Von Steffen Honig 25.02.2019, 00:01

Magdeburg l Wenn Charlotte Abraham die Übertragungen von den Brexit-Debatten in London verfolgt, wird ihr von Mal zu Mal mulmiger. Die Englischlehrerin aus Großbritannien lebt seit acht Jahren in Sachsen-Anhalt und unterrichtet Studenten an der Otto-von Guericke-Uni in Magdeburg. Das will sie gern weiter tun.

Doch ob sie das nach dem Austritt des Vereinigten Königreich aus der EU – voraussichtlich am 29. März – noch kann, steht in den Sternen. „Meine Freunde und ich wissen nicht, was dann zu tun ist. Müssen wir ein Visum beantragen oder nicht? Alles ist unklar,“ sagt Abraham bedrückt.

Sicherheit böte die deutsche Staatsbürgerschaft, die die 30-Jährige neben der britischen beantragen könnte. Charlotte Abraham kann sich dazu nicht entschließen. Außerdem wären die Deutschprüfung (für sie sicher nicht das Problem) und der „Einbürgerungstest“ mit Fragen über Gesellschaftsordnung und Lebensverhältnisse in Deutschland zu bewältigen. Ein Prozedere, das überdies rund anderthalb Jahre in Anspruch nehmen kann.

Ihr grundsätzliches Dilemma fasst sie so zusammen: „Ich fühle mich nicht deutsch genug, um Deutsche zu werden, und nicht britisch genug, um Britin zu bleiben.“

Die Familie im heimatlichen Cambridge in England bangt mit Abraham um die Zukunft in Deutschland. Ihr Umfeld sei für den Verbleib in der Europäischen Union, erklärt Abraham. Kein Wunder: Cambridge, unweit der Weltmetropole London gelegen, ist eine aufgeschlossene Universitätstadt, in der man von der anstehenden Abschottung Großbritanniens vom Rest Europas nichts Gutes erwartet. Charlotte erwartet „ganz viele negative Folgen“ des Brexits.

Ihre Arbeitskollegen an der Magdeburger Universität seien eine große Hilfe, um mit der bereits über Monate anhaltenden Unsicherheit fertig zu werden, hebt Abraham hervor: „Das ist wirklich super.“

Die Brexit-bedingten Unsicherheiten Charlotte Abrahams teilt der Wissenschaftler Nick Whiskerd. Der britische Forschungsassistent an der Informatik-Fakultät der Guericke-Uni arbeitet am europäischen Projekt „Amber“. Neben den Magdeburgern sind daran die Universitäten in Kent, Warschau, Madrid und Rom sowie Industrieunternehmen beteiligt. Entwickelt werden sollen effiziente Lösungen für biometrische Datenerfassung auf Mobilgeräten.

Nick Whiskerd, beheimatet nördlich von London, ist damit seit August 2017 mit großer Begeisterung beschäftigt. Ist es doch europäische Kooperation, wie sie im Buche steht. Der Brexit fährt solchen Projekten voll in die Parade. Was wäre, wenn Forscher aus Kent ein Visum bräuchten, wenn sie auf den Kontinent wollten, und die EU-Europäer nur unter Schwierigkeiten auf die Insel kämen? Whiskerd will daran lieber noch nicht denken.

Das Forschungsprojekt läuft bis 2020. Der 24-Jährige kann sich gut vorstellen, in Magdeburg zu bleiben: „Das hängt aber von den Arbeitsmöglichkeiten ab.“ Und womöglich von der Staatsbürgerschaft. Einen deutschen Pass will er nicht beantragen, schon weil es mit der Sprache hapert. Die Lösung ist sein Großvater in Irland. Dadurch hätte Whiskerd das Recht auf einen irischen Pass – wenn er diesen Joker denn ziehen müsste.