Benno Schmidt aus Wernigerode stellt am 81. Geburtstag noch einen Rekord auf Brocken-Benno: Der erste 7000er im Harz
Wernigerode. An seinem 81. Geburtstag wandert Benno Schmidt aus Wernigerode zum 7000. Mal auf den Brocken. Seit über 20 Jahren bestreitet er fast täglich die Tour zum Gipfel - bei Wind, Regen, Schnee und Hitze.
Wenn er einen Tag aussetzt, mal einen Tag nicht auf den Brocken wandert, so wie am Dienstag, dann kribbelt es ihm regelrecht in den Füßen. "Besonders bei solch einem Wetter", sagt Benno Schmidt etwas wehmütig. Der Wernigeröder, besser bekannt als Brocken-Benno, sitzt an diesem Vormittag für ein Volksstimme-Gespräch ausnahmsweise auf seiner Terrasse und blickt gen Himmel. Die Sonne lugt immer wieder zwischen den Wolken hervor.
Normalerweise hat Benno Schmidt um diese Zeit schon mehr als die Hälfte seiner über sechs Kilometer langen Tour zum Brocken bestritten. Seit mehr als 23 Jahren steigt er fast täglich auf den höchsten Berg in Norddeutschland. Am heutigen Mittwoch wird Brocken-Benno 81 Jahre alt und wandert zum 7000. Mal auf den Gipfel. Neben anderen Mitgliedern des Harzklubs begleitet ihn Ehefrau Helga, die selbst ihren 1111. Aufstieg feiert. Die Tour beginnt um 9 Uhr in Schierke (Hotel Brockenscheideck).
"Das löste ein einmaliges Glücksgefühl aus, wir hatten Freiheit erlangt."
Ihren Anfang nahm Bennos Rekordgeschichte am 3. Dezember 1989. Einige Tage nach der Grenzöffnung der DDR war an diesem Tag nach 28 Jahren auch der Brocken erstmals wieder für Besucher frei. "1961 merkten wir, was uns genommen wurde, das war ein furchtbarer Schlag. Ich hatte danach immer eine gewisse Sehnsucht zum Brocken", erinnert sich der vitale Rentner. Eine 3,60 Meter hohe Betonmauer hatte jahrzehntelang den Aufstieg zum Gipfel verhindert. "Um so größer war die Freude 1989. Das löste ein einmaliges Glücksgefühl aus, wir hatten Freiheit erlangt."
Schon damals, erklärt der Harzer, "hatte ich das Gefühl, ich muss die 28 Jahre nachholen". Und so kam es, dass Benno Schmidt losmarschierte, wann immer es ihm möglich war. Er erkundete zunächst vor allem den westlichen Harz, zu dem ihm der Zugang so lange verwehrt gewesen war. Später startete er seine Brocken-Touren meistens von Schierke aus, in 90 Minuten den Eckerloch-Auftieg hinauf zur Bergspitze. Der Wille, einen Rekord aufstellen zu wollen, habe sich erst später in ihm geregt. "Irgendwann begann ein gewisser Wettbewerb. Es hatte sich der ¿Club der 100er\' gebildet, man traf sich immer wieder beim Brockenwirt. Ich selbst hatte aber erst 60 Aufstiege", erinnert sich der 81-Jährige.
Und da packte ihn der Ehrgeiz. "In den ersten Jahren bin ich manchmal sogar zwei- bis dreimal am Tag hochgewandert." Mit seinem 310. Aufstieg überholte Brocken-Benno schließlich den damaligen Rekordhalter - und wollte von da an Erster bleiben.
"Ich muss nicht mehr jeden Schneesturm und Orkan miterleben."
Pro Jahr schaffte es der Wernigeröder bisher durchschnittlich 333 Mal hinauf zum 1142 Meter hohen Gipfel. Minusgrade, Regengüsse oder 30 Grad im Schatten hielten Benno Schmidt nicht davon ab. Einige Leute verstünden das nicht, sagt er. Ob es denn nicht langweilig werde, er kenne die Strecke doch schon? "Dann erkläre ich den Menschen meine sechs Motive. Eines passt immer oder auch alle sechs", erklärt der Rekord-Wanderer: "Der Mythos Brocken, der mich wie ein Magnet anzieht, die Freude an der Natur, viele nette Menschen zu treffen, fit zu bleiben, den Rekord zu halten und ein Vorbild für die Jugend zu sein."
Inzwischen ist Brocken-Benno längst ein Medienstar. Seine Präsenz nutzte er beispielsweise schon, um mit dem Verkauf eines Brocken-Benno-Sonderstempels Geld für krebskranke Kinder zu sammeln. Er fungiert als Sonderbotschafter für die Harzer Wandernadel und führt Wanderlustige auf einer Route entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze im Harz. "Ich habe mich an den Rummel gewöhnt", sagt Benno Schmidt und lächelt. "Ich will nicht überheblich klingen, aber einen gewissen Stolz trage ich auch, dass ich so viel Anerkennung erfahre von Menschen aus aller Welt", fügt er hinzu. Einzelne Neider gebe es, aber da stehe er drüber.
Zu seinem 6666. Aufstieg vor einem Jahr überraschten ihn Freunde und Fans mit einer gravierten Sitzbank aus Harzer Granitstein, die nun oben auf dem Brocken steht. Zum 7000. Aufstieg bekommt Brocken-Benno ebenfalls ein besonderes Geschenk: Eine Künstlerin aus Nordhausen schnitzte ein dreidimensionales Holzbild, das ihn zusammen mit den Dichtern und leidenschaftlichen Harzreisenden Heinrich Heine und Johann Wolfgang von Goethe darstellt.
"Die Harzreise von Heine ist einmalig. So schön, wie er seine Eindrücke geschildert hat, kann das kein anderer. Und Goethe hat den Brocken weltbekannt gemacht durch \'Faust\'. Aber ich kann mich nicht mit den beiden messen und nicht vergleichen. Ich hoffe, niemand denkt, dass ich so ein Bild in Auftrag gegeben habe", betont Benno Schmidt.
"So lange es geht", möchte der Harzfreund weiter regelmäßig auf den Brocken wandern. "Aber ich werde es ein bisschen reduzieren, vielleicht ein- bis zweimal weniger pro Woche. Ich muss nicht mehr jeden Schneesturm, strömenden Regen und Orkan miterleben", sagt er. Sein Wunsch: den 7777., vielleicht auch den 8000. Aufstieg zu schaffen.