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Bundesgerichtshof Dashcam-Videos vor Gericht zulässig

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Aufnahmen von Minikameras im Auto dürfen als Beweismittel verwendet werden.

Von Bernd Kaufholz 15.05.2018, 10:45

Karlsruhe/Magdeburg l Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat am Morgen in einem Revisionsprozess zu sogenannten Dashcams – Videokameras, die meist auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs angebracht sind und während der Fahrt aufzeichnen  ein Urteil gefällt. Der VI. Zivilsenat hat entschieden, dass Aufnahmen dieser Auto-Minikameras bei Unfällen als Beweis vor Gericht verwendet werden können.

Der Fall hatte zuvor schon zwei Instanzen durchlaufen. Seinen Anfang nahm er auf einer Magdeburger Straße. An der Johanniskirche waren zwei Autos, jedes auf einer separaten Linksabbiegerspur, seitlich zusammengestoßen. Der Pkw des links fahrenden Klägers wurde dabei vorn rechts, der des rechts vor ihm fahrenden Beklagten hinten links beschädigt. Die Schadenssumme: rund 3000 Euro. Beide Unfallbeteiligte sind sich sicher, dass der jeweils andere die Spur verlassen hat.

Knackpunkt des Verfahrens war allerdings die Frage, ob es zulässig ist, die Bilder einer einer Dashcam im Zivilstreit zu verwerten. Denn der Kläger hatte solch kleine, festinstallierte Kamera im Auto.

Das Amtsgericht Magdeburg hatte im Dezember dem Kläger nur die Hälfte seines Gesamtschadens zugesprochen, weil er nicht den Nachweis erbringen konnte, dass sein Unfallgegner die Spur verlassen hat. Die Zeugin, Beifahrerin des Klägers, habe laut Amtsgerichts-Urteil nicht genau sagen können, wo sich das Kläger-Fahrzeug während der Kollision befunden hat. Und auch ein vom Gericht bestellter Gutachter blieb vage: Aus technischer Sicht seien beide Schilderungen des Geschehens „prinzipiell möglich“. Das Angebot des Klägers, die Aufnahmen seiner Dashcam zu verwerten, war abgelehnt worden.

Und auch das Landgericht Magdeburg, als zweite Instanz, hatte die Berufung zurückgewiesen. Aufzeichnungen verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und dürften somit nicht als Beweis verwertet werden. Allerdings ließ die Berufungskammer ausdrücklich die Revision vor dem Bundesgerichtshof zu.

Der BGH urteilte, dass die im „Magdeburger Fall“ vorgelegte Videoaufzeichnung nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig ist, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist. „Eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des Klägers ist zur Wahrnehmung seiner Beweissicherungsinteressen nicht erforderlich.“ Denn es ist technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens zu gestalten, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges.

„Dennoch ist die vorgelegte Videoaufzeichnung als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess verwertbar. Die Unzulässigkeit oder Rechtwidrigkeit einer Beweiserhebung führt im Zivilprozess nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot.“ Über die Frage der Verwertbarkeit sei vielmehr aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegebenenfalls als Recht am eigenen Bild andererseits führe „zu einem Überwiegen der Interessen des Klägers“.

Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den sich der Beklagte freiwillig begeben habe. Er habe sich dadurch selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Rechnung zu tragen ist auch der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt.

„Der mögliche Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte anderer (mitgefilmter) Verkehrsteilnehmer führt nicht zu einer anderen Gewichtung. Denn ihrem Schutz ist vor allem durch die Regelungen des Datenschutzrechts Rechnung zu tragen, die nicht auf ein Beweisverwertungsverbot abzielen.“

Infografik: So beliebt sind Dashcams in Deutschland | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista